Kundgebung gegen Paragraf 219a in Berlin.
epd-bild/Christian Ditsch
Die Familienberatung pro familia und das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung fordern die Abschaffung des umstrittenen Strafrechtsparagrafen 219a. Sie wenden sich gegen eine aus ihrer Sicht unnötige Kriminalisierung der Ärzte.
23.02.2018

Dass Mediziner kriminalisiert werden, wenn sie dafür werben, dass sie Abtreibungen ausführen, sei ein "unhaltbarer Zustand", sagte Stefan Nachtwey vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung am Freitag in Berlin. Mit einer Kampagne solle deshalb "gesellschaftlicher Druck" aufgebaut werden, den aus dem Jahr 1933 stammenden Paragrafen zu streichen. "Das ist nicht mehr zeitgemäß", sagte Nachtwey.

Der Bundestag hatte am Donnerstagabend erstmals über eine mögliche Änderung des Paragrafen 219a debattiert. Grüne, Linke und SPD sprachen sich für eine Aufhebung des Werbeverbots aus, Union und AfD wollen daran festhalten. Die FDP plädierte für einen Kompromiss.

Höblich spricht von "grobem Unsinn"

Die Bundesvorsitzende von pro familia, Davina Höblich, kritisierte, das von Abtreibungsgegnern vorgebrachte Argument, dass die Werbung für diese ärztliche Leistung beispielsweise auf Internetseiten von Praxen eine Entscheidung für oder gegen Abtreibung beeinflusse, sei "grober Unsinn". Das wisse man aus der langjährigen Erfahrung der pro familia-Beratungsstellen. Anders als in der Schweiz oder in Frankreich, wo es zentrale Listen von Abtreibungen vornehmenden Ärzten gebe, stünden die Beratungsstellen in Deutschland zudem vor dem Dilemma, keine Ärzte empfehlen zu können, weil es wegen des Werbeverbots keine entsprechende Listen gibt.

Der Paragraf 219a verbietet Werbung für Abtreibungen aus finanziellem Eigeninteresse oder "in grob anstößiger Weise". Abtreibungsgegner zeigen zunehmend Ärzte an, die im Internet oder in Broschüren darüber informieren, dass sie und wie sie Abtreibungen ausführen.

"Handwerk wird nicht mehr beherrscht"

Die Schwangerschaftskonfliktberaterin Ines Scheibe wies auch auf die schwindende Zahl an Ärzten und Ärztinnen hin, die noch das nötige Handwerk beherrschen. Die Ausführung von Abtreibungen sei in Deutschland kein Teil der Facharztausbildung, zugleich erreichten immer mehr frühere DDR-Ärzte oder Ärzte, die sich eigens dafür in den Niederlanden ausbilden ließen, das Rentenalter. Nachwuchsmediziner seien zurückhaltend, weil sie durch den Paragraf 219a die Kriminalisierung fürchten müssen. "Schwangerschaftsabbrüche dürfen aber kein Tabuthema sein", forderte die Expertin.

Auslöser der aktuellen Debatte um den Paragrafen ist der Prozess gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel vor knapp vier Monaten. Hänel hatte auf der Internetseite ihrer Praxis über Abtreibungen informiert und war dafür zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

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