Das Ziel: Aussöhnung mit Polen vergleichbar zur deutsch-französischen Freundschaft. Der Weg dorthin: ein Denkmal in der Mitte Berlins zur Erinnerung an die polnischen Opfer der NS-Besatzungszeit.
15.11.2017

Bald 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges soll in Berlin ein Denkmal an die Opfer der deutschen Besatzung in Polen zwischen 1939 und 1945 erinnern. Ein entsprechender Aufruf an den Bundestag wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Initiatoren sind prominente Politiker sowie zahlreiche Historiker.

Es gebe kaum eine polnische Familie, die nicht von der Besatzungsherrschaft mit mehreren Millionen Toten betroffen war oder ist, heißt es in dem an den Bundestag gerichteten Aufruf für ein "Polen-Denkmal in der Mitte Berlins". In Deutschland sei "dieses barbarische Unrecht nur unzureichend bekannt". Die "unsäglich großen Opfer, Leiden und Erniedrigungen der Polen" verdienten ein eigenes Zeichen des Gedenkens in der Mitte der Hauptstadt.

"Es ist unsere Pflicht, an eines der schlimmsten Verbrechen der Nazizeit zu erinnern", begründete der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) die Initiative. Dabei gehe es um ein Denkmal, an dem an alle Opfer gedacht werden könne, ergänzte Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, betonte, "die Besetzung Polens war die Generalprobe für das, was dann europaweit passierte", der Versuch, ganze Völker gezielt auszulöschen. "Es ist an der Zeit, an die zivilen Opfer dieses Krieges zu erinnern", so Nachama.

Keine Reaktion auf den Rechtsruck in Polen

Der Direktor des Deutschen Polen-Institutes Darmstadt, Dieter Bingen, unterstrich, dass die Nazis Polen nicht nur als "erstes Experimentierfeld" für ihre verbrecherische Politik nutzen, sondern auch für die industrielle Vernichtung der europäischen Juden. Dies belaste das deutsch-polnische Verhältnis bis heute. Vielen Deutschen sei das nicht bewusst, so der Zeithistoriker.

Die Initiatoren betonten, die Idee für das Denkmal sei keine Reaktion auf den Rechtsruck in der polnischen Regierungspolitik. Vielmehr sollte es als "Geste gegenüber der polnischen Nation" verstanden werden, sagte Bingen. "Wir haben verstanden, dass Polen 1939 das erste und ein besonderes Opfer gewesen ist."

Zu den Initiatoren gehören auch der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen, Florian Mausbach, sowie der Koordinator für die deutsch-polnischen Beziehungen, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und der CDU-Europapolitiker Elmar Brok. Unterstützt wird das Vorhaben unter anderem auch von den Historikern Timothy Garton Ash (Cambridge) und Stefan Troebst (Leipzig).

Der Askanische Platz als Ort des Denkmals

Ziel der Initiative sei es, möglichst bis zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 in zwei Jahren ein sichtbares Zeichen in Form einer Entscheidung des Bundestages oder eines Grundsteins zu setzen, betonte Mausbach. Als Ort des Denkmals schlägt die Initiative den Askanischen Platz neben dem Anhalter Bahnhof vor, "in der politisch-symbolischen Mitte der deutschen Hauptstadt". Damit sei das Denkmal in Sichtweite des gegenüberliegenden Dokumentationszentrums der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, das an die Vertreibungen während des Zweiten Weltkrieges erinnert, sagte Thierse.

Zum dem bereits 1972 im Berliner Volkspark Friedrichshain errichteten "Denkmal des polnischen Soldaten und des deutschen Antifaschisten" hatte Thierse schon im Vorfeld gesagt, dies habe einen anderen Charakter. Dabei handele es sich um "ein Denkmal für die Waffenbrüderschaft polnischer Soldaten und deutscher Kommunisten". Deshalb sei es von der Mehrheit der Polen nie akzeptiert worden.

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