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St.-Pauls-Kirche in Berlin-Mitte, Sonntag, 10 Uhr: Von der Hausfassade gegenüber beobachten Jérôme Boateng und seine Brüder Kevin Prince und George, wie viele Besucher an diesem Ersten Adventssonntag zur St.-Pauls-Kirche hinaufsteigen. Die Fußballbrüder sind in diesem Kiez aufgewachsen, jemand hat ihre Gesichter überlebensgroß auf eine graue Fassade gepinselt. 28, mehr können oder wollen heute nicht um zehn Uhr in die Kirche, nicht nur wegen des schrumpfenden evangelischen Bevölkerungsanteils. An diesem Sonntag sind auch die Geschäfte geöffnet.
Der Blick ins Innere der einschiffigen Kirche überrascht. Der berühmte Architekt Karl Friedrich Schinkel entwarf sie als eine von vier Vorstadtkirchen. Im Krieg zerstört, wurde zumindest St. Pauls‘ Fassade wieder schinkelmäßig hergerichtet. Innen ist alles moderner, heller, strenger: ein gelblicher Altar aus Kunstmarmor, wo bis in die letzten Kriegstage ein Holzaltar stand. Der Raumschmuck besteht aus einer Leuchte aus den 70er Jahren an einem langen Kabel von der Decke. Das passt auch zum Ersten Advent.
Pfarrerin Veronika Krötke predigt über Verse aus Römer 13 mit der eigentümlichen Aufforderung: „Zieht an den Herrn Jesus Christus“. Wie soll das gehen? Ein paar Zeilen weiter heißt es sogar: „Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ Darüber lässt sich in der dunklen, kalten Jahreszeit trefflich sinnieren.
Dazu ein Lied mit einer traurigen Geschichte: Joachim Klepper, Theologe, Schriftsteller und Autor von „Die Nacht ist vorgedrungen“, nahm sich vier Jahre nach der Niederschrift mit seiner jüdischen Frau 1942 das Leben. Ausweglos schien ihre Lage im Nazistaat. Angesichts der drohenden Deportation seiner Frau konnte er den Stern von Bethlehem – im Lied weist er den Weg aus der Dunkelheit – nicht mehr sehen.
„Die eigene Dunkelheit überstehen durch das innere Licht“, so schlägt Krötke geschickt den Bogen. Wer sich verkleidet, schlüpft in eine andere Rolle. Jesus Christus anziehen, das könne bedeuten, ein sichtbares Zeichen zu setzen und „es leuchten zu lassen wie ein strahlend weißes Gewand mitten in der Nacht.“
Dann setzt die Orgel gewaltig ein, 2500 Pfeifen verstärkt durch 34 Register. „Es kommt ein Schiff geladen.“ Und der Küster, ein gestandener Mann mit Leibesfülle und gesunden roten Bäckchen, gibt sich die größte Mühe, den Kahn gesanglich nicht untergehen zu lassen.
St. Paul Kirche
Badstraße 50
Ev. Kirchengemeinde an der Panke
Pfarrerin Veronika Krötke
Gemeindebüro:
Frau Schütmaat
Badstraße 50, 13357 Berlin
Tel. 030-4652780