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„Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge“, schöne Überschrift fürs Politische Nachtgebet auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart! Trotzdem kommt man sich als Ortsfremder hier auf dem Marienplatz ganz schön verloren vor. Wo ist bloß diese verflixte Filderstraße? Da, ein dunkler Kirchturm vor dunklem Himmel. Das muss die Markuskirche sein. Leicht verspätet stolpert man in den großzügig überwölbten Kirchenraum. Dort sagt Bischof Jan Janssen aus Oldenburg durch einen quäkig eingestellten Verstärker: Nach drei Tagen im gastfreundlichen Stuttgart sei man als Kirchentagsbesucher schon ganz heimisch geworden. – Na ja, geht so.
Das Politische Nachtgebet, erstmals 1968 auf dem Katholikentag als Protest gegen den Vietnamkrieg gefeiert, gehört seit langem auch zum Evangelischen Kirchentag. Schön, es in der Markuskirche zu feiern und nicht in einer Messehalle.
Ein Orgelprospekt bedeckt vollständig die große Ostwand hinterm Altar. Rechts davor schimmert der rote Kirchentagsschal des Organisten. Zwischen dessen Einsätzen treten der Bischof und zwei Frauen abwechselnd ans Rednerpult und tragen Texte vor. Die Gottesdienstgemeinde erfährt von vielen Flüchtlingen in der Bibel: Adam und Eva, Abraham, sogar Jesus war ein Flüchtlingskind. Sie hört Arthurs Geschichte, dessen Mutter stirbt, als er zwölf ist, und der wegen politischer Verfolgung seine Heimat verlassen muss. Arthur ist Deutscher und heute 95 Jahre alt. Es empört ihn, wie sein Volk dieser Tage mit Flüchtlingen umgeht.
Eine junge Frau spricht von der „grausamen Dublin-Bürokratie“. (In der irischen Hauptstadt beschloss die EU: Flüchtlinge bekommen ihr Asylverfahren in dem EU-Land, das sie als Erstes betreten.) Sie zitiert eine Erklärung der „Flüchtlinge für Freiheit“, nach der die deutsche Regierung „die Menschenrechte mit Füßen tritt“. Ein harter Vorwurf. Wann, wo und wie das geschieht, hätte man gern gewusst.
Später erzählt die junge Frau, wie Flüchtlinge Hilfe erfahren: von Bürgern in Bad Soden, durch das Notruftelefon einer Flüchtlingsinitiative, von der Flüchtlingsberatung Moabit. Gut, wie sich der inhaltliche Bogen von der Bibel in die Gegenwart spannt. Aber die Beispiele gelungener Hilfe wirken, als seien sie im Internet recherchiert. Gibt es denn nichts aus eigener Praxis zu erzählen?
Das Politische Nachtgebet soll für politische Missstände sensibilisieren. Hier ist fast schon zu viel Empörung. Manchmal verstören leise Töne mehr.
Zur Gemeinde
Markuskirche Stuttgart
Römerstraße 41, 70180 Stuttgart
Tel. 0711 / 60 62 59
E-Mail: buero@markusgemeinde-stuttgart.de
Ansprechperson: 1. Pfarramt
Dr. Tilo Knapp
E-Mail: tilo.knapp@elkw.de