Maren Kolf
30.10.2013

Bewertung

Liturgie
4
Predigt
5
Musik
4
Atmosphäre
5

„Moin!“ Freundliche Menschen begrüßen den Kirchgänger. In Fischerhude spricht man plattdeutsch. Pastorin Christiane Joos allerdings nicht. Sie mache nur Vertretung, erzählt sie, denn der Pastor sei krank.

Auf dem Altar stehen Sonnenblumen. Die Liebfrauenkirche ist innen so hell und klar wie die Herbstluft draußen. Nur wärmer. Ungefiltert strömt das Licht durch große Fenster in die Kirche. „Gott ist gegenwärtig“, beschwört die Gemeinde singend den Geist herbei, während der Herbstwind das Laub der alten Bäume sachte durchweht.

Mit kräftiger Stimme führt die Pas­torin durch die Liturgie. Schon steht sie auf der Kanzel und freut sich über das letzte Aufflammen der kräftigen Farben, über blauviolette Pflaumen, rote Dahlien und gelborange Kürbisse. Die Dunkelheit lauert im apokalyptischen Predigttext. Da geht es um eine geheimnisvolle Himmelskönigin und einen Drachen, der ihr Neugeborenes fressen will. Grausam. Doch dann kommt der Erzengel Michael und wirft das Ungetüm mitsamt seiner Helfershelfer aus dem Himmel heraus.

Das Böse habe seitdem keine Macht mehr, auch nicht in unseren Seelen, erklärt die Pastorin in wohlgeformten Sätzen. Größenwahn, dumpfe Traurigkeit, armselige Unentschlossenheit, der Terror der Rechthaberei: so vielen Versuchungen seien wir ausgesetzt. Um uns vor ihnen zu schützen, stelle Gott uns den Erzengel Michael zur Seite. Plötzlich schweben und verweben sich die Predigtworte mit der Kirche: mit dem lebensgroßen Relief des freundlich lächelnden Engels Michael, mit dem Gekreuzigten, mit der Maria am Altar.

„Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du ... uns die Wächter sendest“, ein Liedtext des Reformators Philipp ­Melanchthon. So kommt auch noch ur­evangelisches Liedgut in die Dorfkirche. Am Ende verleiht die Pastorin mit einer kleinen Geste dem Schlusssegen eine ungeahnte Bedeutung. Erst wendet sie die Handflächen gen Himmel, dann öffnet sie sie zur Gemeinde, so als habe sie den Segen Gottes umgeleitet.

Ein beschwingtes Orgelfinale geleitet die Gemeinde hinaus ins backsteinfarbene Bilderbuchdorf. Neben der Kirche hängt das Straßenschild „Cato Bontjes van Beek-Weg“. 1943 wurde die Fischerhuderin in Plötzensee hingerichtet, ge­rade mal 22 Jahre alt. Sie war wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt. Ihre Tante Amelie Breling schuf 1944 für die Dorfkirche den Erzengel Michael. – ­In Fischerhude weiß man, wie mächtig das Böse sein kann.

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