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Betäubend süß duften die violetten Rhododendrenblüten um den Musikpavillon im Bergpark, Schloss Wilhelmshöhe. In der Orchestermuschel hebt schon der Posaunenchor zum musikalischen Vorspiel an.
Heute gehe es um die Barmer Theologische Erklärung, erklärt Pfarrer Martin Becker bei der Begrüßung. Vor 75 Jahren setzten sich Protestanten mit ihr gegen den Machtanspruch des nationalsozialistischen Staates zur Wehr.
Die Vögel zwitschern, weiter unten am Hang rauscht leise ein Bächlein, beschwingt singen die etwa 50 Anwesenden "Wie lieblich ist der Maien". Becker dankt Gott, "dass wir in diesem Land frei unseren Glauben leben können". Dann liest er aus den sechs Barmer Thesen vor: "Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und Räuber." Mit einem Bibelzitat (Johannes 10,1) kommentierte man damals den Versuch der Nazis, die Kirche gleichzuschalten.
Becker erzählt, wie Protestanten das Führerprinzip in der Kirche abwehrten, wie sie gegen Bestrebungen protestierten, das Alte Testament aus der Bibel zu verbannen, wie sie sich zur Bekennenden Kirche zusammenschlossen. Er erzählt von Pfarrer Ludwig Steil aus Herne, Wanne-Eickel, der Gemeinde seiner Mutter. Er kam im KZ Dachau ums Leben. Wie Dietrich Bonhoeffer wachsame Theologen in seinem Predigerseminar ausbildete. Wie Martin Niemöller, ein Initiator der Bekenntnisbewegung, sich auch nach dem Krieg von der Frage leiten ließ: "Was würde Jesus dazu sagen?" - etwa zu Atomwaf fen, die viele Christen als gotteslästerlich empfinden, weil sie die Menschheit bedrohen.
Alles sehr interessant - für eine Geschichtsvorlesung, überlegt der Kirchgänger kurz. Doch da ist Becker schon im Heute angelangt. Die Barmer Theologische Erklärung mahne zu Wachsamkeit, sagt er. Man dürfe angesichts der vielen Informationen aus Fernsehen und Internet nicht abstumpfen. Die Erklärung fordere auf, mit klarem Bekenntnis Stellung zu beziehen. Was Becker tut: "Es ist ein großes Zeichen", sagt er, "wenn sich 25 Reiche für die Einführung von Vermögenssteuer aussprechen." Die Predigt endet mit einem Appell: "Schreiben Sie doch mal Ihr eigenes Bekenntnis für unsere Zeit auf. Amen."
"O komm, du Geist der Wahrheit", singt die Gemeinde inbrünstig.- "Gott, lass uns erkennen, wie Dein Anspruch auf unser Leben aussieht", betet Becker. Als Schlusslied folgt eine Art Weckruf: "Er weckt mich alle Morgen."
Nach dem Segen, während die Blechbläser das Schlusslied intonieren, zieht Becker seinen Talar für alle sichtbar auf der Bühne aus. Er muss weiter, um zehn Uhr ist Gottesdienst unten im Tal, in der Christuskirche.
Zur Gemeinde
Ev. Kirchengemeinde
Bad Wilhelmshöhe
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Telefon: 0561-32792
Ab Himmelfahrt, also bisweilen schon im Mai, und in den Sommermonaten Juni, Juli und August feiert die Gemeinde an jedem Sonntag um 9 Uhr evangelische Gottesdienste am Musikpavillon im Park hinter dem Schloss Wilhelmshöhe