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In Köln klafft eine tiefe Wunde. Das Historische Archiv ist eingestürzt, Menschen wurden verschüttet. Nicht nur das Gedächtnis der Stadt ist erschüttert, auch das Kölsche Selbstbewusstsein, dass es "noch immer jot jegange" ist. Es ist jetzt mal richtig schlecht gegangen mit der Kölschen Lässigkeit. Und schlecht geht es in diesen Tagen vielen alten Kölnern, die jetzt wieder erinnert werden an die Bombennächte im Zweiten Weltkrieg.
Welch gute Idee von Pfarrer Hans Mörtter, zwei dieser Zeitzeugen einzuladen in einen "Talk-Gottesdienst". Viele Südstadtbewohner sind gekommen, die Kirche ist voll besetzt. "Ich hatte in den letzten Wochen ganz furchtare Erinnerungen", erzählt das "Kriegskind" Maria Wachter, die genau dort ihre Kindheit verbracht hat, wo jetzt wieder die Erde eingestürzt ist. Sie erzählt vom Geruch der Leichen, die man seinerzeit nicht so schnell aus den Kellern bergen konnte wie heute. Sie erzählt von der Stadt in Flammen, von den Phosphorbomben, deren Wirkung zeitverzögert eintrat: "Ich sah den Giebel des Nachbarhauses, und dann sah ich, wie er einstürzte und unseren Nachbarn erschlug."
Wie gut es tut, dieser alten Dame und ihrem Mitstreiter, dem ehemaligen Bürgermeister Norbert Burger, zuzuhören. Beide strahlen trotz der "großen Scheiße Krieg" eine ungeheure Lebenskraft aus: "Mensch, du hast überlebt, du darfst jetzt was Neues anfangen."
Aber wie ärgerlich, dass es schon 12.05 Uhr ist, als die beiden alten Herrschaften endlich erzählen dürfen. Davor werden noch zwei Kinder getauft - warum so viel Programm in einem einzigen Gottesdienst? Und warum muss der Pfarrer extra erwähnen, dass er die Taufunterlagen verbummelt hat? Dass die Pianistin bis gestern Abend noch nichts von ihrem Glück wusste und dass die Lokalzeitung schon wieder nicht über die Skulpturen in der Kirche berichtet hat? Das alles mag die Kirchgängerin nicht hören. Und schon gar nicht mag sie in diesen Tagen mit noch mehr Kölscher Schlamperei behelligt werden. Soll er doch die Taufsprüche noch mal raussuchen und das Medienproblem mit seinem Pressesprecher regeln.
So dauert es und dauert. Nach anderthalb Stunden - der Gottesdienst ist längst nicht vorbei - treten wir mit einigen anderen Ungeduldigen hinaus in die Maisonne. Es ist Muttertag, wir sind zum Mittagessen verabredet, warum nur kann ein evangelischer Gottesdienst, und sei er noch so spannend, nicht zu einer berechenbaren Zeit zu Ende sein?
Schade, denn vieles war wirklich gut: die Improvisationen des blinden Saxofonisten. Die vielen jungen Leute. Das Gefühl, dass diese Kirche im Viertel ver wurzelt ist. So soll es sein.
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