Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
19.01.2011

Bewertung

Liturgie
3
Predigt
4
Musik
3
Atmosphäre
4

Ungemütlich kalt ist es draußen. Doch auch bei diesem Wetter bleibt Heidelberg sehr attraktiv. Eine japanische Besuchergruppe bestaunt die Häuser entlang der Hauptstraße, eine weitere das gotische Gewölbe in der Heiliggeistkirche durch die Glaswand am Eingang. Dahinter sind jetzt nur Gottesdienstbesucher zugelassen. Vorne im Chorraum singen gut 100 überwiegend junge Menschen "Morgenglanz der Ewigkeit". Der Organist begleitet eher getragen. Denn heute gedenkt die Gemeinde der Toten des vergangenen Jahres. "Unsere Hoffnung umschließt nicht nur unser persönliches Leben, sie umfasst die ganze Welt", sagt Pfarrvikar Martin Hauger gleich zu Beginn. Und er betet: "Gott, du umhüllst uns noch im Sterben."

Fast hätte Hauger es vergessen: Nach Evangelium und Glaubensbekenntnis sollen die Kinder zum Kindergottesdienst. Nur ist keines da, außer dem Baby, das schon die ganze Zeit vergnügt brabbelt. Aber das ist zu klein.

"Wachet auf, ruft uns die Stimme", jubelt die Orgel - leider so laut, dass der Kirchgänger keine Chance hat, die eigene Stimme zu hören. Hat der Klang die Studenten aus dem Schlaf geholt, die in der letzten Strophe eintreffen? Oder reicht es ihnen, heute nur die Predigt mitzunehmen? Martin Hauger wird was vom Predigen verstehen, er hat an der Uni schon viele Predigten wissenschaftlich ausgewertet. Thema heute: eine kleine Apokalypse aus dem 2. Petrusbrief.

Hauger beginnt mit einer Szene im Wartezimmer: "Nehmen Sie noch einen Moment Platz, der Herr Doktor hat gleich für Sie Zeit." Ein "Moment" (vom lateinischen "movere", bewegen) sei eigentlich gefüllte, ereignisreiche Zeit, sagt Hauger. Man warte nicht "einen Moment" sondern "auf einen Moment". Christen warteten auf den Moment, in dem Gerechtigkeit wohne. Doch die Zeit werde lang im Warteraum der Geschichte.

Der Prediger versteht sich auf schöne Bilder, man hört ihm gerne zu. Schafft er auch die Kurve zur Apokalypse aus dem Petrusbrief? Wie für den vom Notfall aufgehaltenen Arzt verstreiche für Gott die Zeit schneller als für den Wartenden: "Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre" (2. Petrus 3,8). Für Gott sei jeder Mensch, der geboren wird, ein Notfall. Gott habe keine Lust auf den Weltenbrand. Klingt schön. Aber warum kündigt Gott dann die Apokalypse an?

Nach der Predigt werden die Namen der Toten aus diesem Jahr verlesen. In dieser Gemeinde gab es wohl nur neun, erstaunlich wenige. Dann entzünden Gottesdienstbesucher Kerzen für auswärtig verstorbene Angehörige. 30 Leute treten nach vorne. Beim Abendmahl stehen alle um den Altar. Gemütlich ist es hier! Bestimmt beneiden uns jetzt die Japaner, die hinter der Glaswand stehen und zuschauen.

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Evangelische Kirche in Heidelberg
Heiliggeiststr. 17
69117 Heidelberg

Telefon: 06221 / 9803 0
Dekanat: 06221 / 9803 - 40
Telefax: 06221 / 9803 - 49

Mail: dekanat.heidelberg@kbz.ekiba.de

Im Internet unter www.ekihd.de

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