Auch wenn es der beste Freund des eigenen Partners ist?
15.11.2010

Nach einem langen Winter erwachen sämtliche Lebensgeister. Man verpackt die Winterklamotten und stürzt sich ins flatternde, offenherzige Gewand. Es prickelt im Bauch und die Lust am leichten Sinn, am Leichtsinn wächst. Ein kleiner Flirt, warum nicht . . .? Flirten, das meint wörtlich, einem anderen den Hof machen, mit ihm kokettieren, ihr liebäugeln, herumflattern von Blüte zu Blüte, nichts Ernstes eben. Oder doch? Eine oft zitierte Stelle aus dem Neuen Testament ist die, wo Jesus in der Bergpredigt sagt, wer eine Frau ­ und man kann ruhig ergänzen: einen Mann ­ anschaut und begehrt, der hat schon die Ehe gebrochen, bevor überhaupt etwas passiert ist. Kleinkarierte Spielverderberei?

Ein kleiner Flirt, warum nicht . . .?

Nein, erst mal nur nüchterner Realismus. In einem Chanson-Oldie aus Frankreich mit dem Titel "Pour un flirt" geht es zur Sache: Für einen Flirt mit dir, trällert Sänger Michel Delpech, für ein kleines Rendezvous wäre ich zu allem bereit. Der Flirt soll, so das Chanson, in den Armen der Angebeteten und schließlich zwischen ihren Bettlaken enden. Ganz so harmlos ist es also doch nicht, wenn man miteinander flirtet. Was man anfangs meint voll im Griff zu haben, kann sich allmählich zu einer heißen Affäre entwickeln, die ihre eigene Dynamik besitzt. Dann ist es meist zu spät, den netten kleinen Flirt zu stoppen. Zwei Menschen sind ineinander verliebt und kommen nicht oder kaum mehr voneinander los.

Das ist wunderbar, wenn die beiden ungebunden sind und sich durch verführerische Augen-Blicke gefunden haben. Schmerzlich wird es, wenn andere Partner auf der Strecke bleiben. Noch viel verletzender ist, wenn der Flirtpartner der beste Freund oder die beste Freundin des Menschen ist, mit dem man eigentlich zusammengehört. Da können ganze Welten in Stücke gehen. Aber langsam: Muss es zum Äußersten kommen? Gibt es nicht doch den arglosen Flirt? Angenehme Spannung, die sich langsam aufbaut ­ und die man wieder herunterfahren kann. Wirklich?

Flirten ist nie ungefährlich. Am Beginn der fast acht Millionen Internetseiten, auf denen Frauen und Männer zum Flirten gesucht und gefunden werden, steht als Erstes ein Verweis auf Seitensprungagenturen, Unternehmen, bei denen man die Frau oder den Mann für eine Nacht finden kann. Der Weg vom Flirt zur Beziehung, und sei sie nur von kurzer Dauer, ist manchmal recht kurz. Das Spiel mit dem Feuer kann Freundschaften, Ehen, ganze Familien in Schutt und Asche legen. Wer sich fragt, ob man mit dem besten Freund des eigenen Partners flirten darf, der spürt instinktiv, dass so ein Flirt eine brisante Sache ist.

Das Wissen um die kurze Distanz zwischen Flirt und Sex

Jeder braucht in seinem Leben verlässliche Beziehungen. Auf diese Beziehungen muss man bauen können. Sie sollten tabu sein, unantastbar, unverletzlich ­ damit sie bleiben, was sie sind: ein Halt im Leben, eine Zuflucht. Der Sinn für Realität, wie man ihn in dem Jesuswort findet -­ das Wissen um die kurze Distanz zwischen Flirt und Sex ­, ist gepaart mit Sinn für sehr viel Liebe. Liebe für die, die unter dem Begehren, dem Habenwollen eines anderen leiden, und auch Liebe für sich selbst. Denn hat man erst einmal den Versuchungen eines Flirts mit Haut und Haaren nachgegeben, dann leidet man selbst meist schrecklich darunter.

Also erst denken, dann flirten! Ist Langeweile eingekehrt? Dann sollte man lieber an der eigenen Beziehung arbeiten, statt herumzuschäkern. Möchte man bloß mal den eigenen "Marktwert" testen? Dann wäre es besser, das Selbstbewusstsein zu stärken, statt sich von anderen und ihrer erotischen Anerkennung abhängig zu machen. Oder möchte man Macht haben über das ganze Leben des anderen, alles besitzen, was er hat, auch seinen Freund? Die Zeit zum Nachdenken lohnt sich ­ bevor man noch viel mehr Zeit braucht, um die Trümmer des eigenen Lebens aufzusammeln.

Es ist notwendig, miteinander Regeln aufzustellen: Was kann ich gut akzeptieren, was verletzt mich? Ob man es stolz genießt, dass die eigene Frau auf der Party umschwärmt wird, oder stocksauer ist, weil der Partner mit der eigenen Freundin telefoniert, das hat viel mit dem Verständnis von Treue zu tun. Wer kann es einem ausreden, dass man ein Weh im Herzen spürt, weil die Partnerin beim Abendessen intensiven Augenkontakt zum Freund hält, und wer sollte einem reinreden, wenn man sich bloß darüber amüsiert, dass der Partner die Freundin in den Arm nimmt?

Was geht, was nicht? Ein Maßstab für das Verhalten könnte die Vorstellung sein: Der Partner sitzt jetzt dabei und sieht alles ­ ginge das? Wenn man das Gefühl hat, man müsste etwas verschweigen, wird's brandgefährlich. Da hilft nur mit aller Kraft auf die Bremse treten und im Zweifelsfall beichten.

Übrigens: Warum eigentlich nicht mal wieder mit dem eigenen Partner flirten? Sich in einem Lokal verabreden und so tun, als würde man sich nicht kennen. Sich über Tische hinweg feurige Blicke zuwerfen, wegschauen, lächeln, ins Gespräch kommen, ein zarter Kuss... Da stehen einem die schönsten Möglichkeiten offen ­- und man kann überall landen, wo es einem Spaß macht.

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