Monika Höfler
Was bin ich ihm wert? Wie viel Geld hat er ausgegeben für mein Geschenk? Es gibt Menschen, die das wirklich wissen wollen
27.01.2015

Barbara freut sich. Sie hat von Freunden einen Karton mit ­ zwei Flaschen Rotwein bekommen. Bevor sie mit ihrem Mann die erste öffnet, greift sie zum Tablet. Sie möchte im Internet recherchieren, wie viel der Wein gekostet hat. Das ist schnell geschehen  – Namen eingeben oder Winzer suchen, schon weiß sie: Die Freunde haben ganz schön was springen lassen. Toll! Jetzt schmeckt ihr der teure Rebensaft erst richtig gut. Bei der Ge­legenheit kann Barbara gleich mal nachschauen, was ihr Mann für die Box mit der neuen amerikanischen TV-Serie ausgegeben hat, die er ihr mitgebracht hat. 

Es gibt Menschen, die sehen im Internet nach, wie viel Geschenke von Freunden und Verwandten wert sind. Für Susanne Breit-Keßler ist das ein Unding. Der Wert von Geschenken lasse sich nicht in Geld wiedergeben.

So machen es viele Menschen: Der Wert eines Geschenkes wird gleich überprüft. Wie viel hat der andere für mich angelegt? Was bin ich ihm oder ihr wert? Die billige DVD fällt gegenüber dem gebundenen Buch ganz klar durch, obwohl der Film mit ­Bette Davies einfach wunderbar und der Bestseller nur ein serienmäßig hergestellter Roman ist. Das teure Markenparfum gibt ein gutes Gefühl, dabei riecht es eher aufdringlich – die schöne ­kleine Zitronenseife kommt preislich einfach nicht dagegen an. Das ­Internet macht es möglich, innerhalb von Sekunden herauszufinden, was wie viel kostet. Schade.

Denn auf einmal wird unwichtig, welche Gedanken und Ideen, welche Herzlichkeit und welcher Einfallsreichtum mit dem Geschenk verbunden sind – oder welche Mühe sich jemand gemacht hat. Es zählt nur noch der monetäre Wert. Das Geld. Daran wird das Geschenk gemessen. Vielleicht plant man dann sogar entsprechend, was man selber für den anderen künftig ausgeben will. Ein Schlüsselanhänger aus Frankreich braucht nicht viel Gegengabe, die Pralinenschachtel für zwölf Euro wird beantwortet mit einem Taschenbuch zum gleichen Preis. Der seltene irische Whiskey verlangt dann schon nach mehr Aufwand.

Traurig an der flotten Suche nach dem vermeintlichen Wert eines Geschenkes ist auch, dass Geber und Geberinnen fortan einem inneren Ranking unterliegen. Sofia ist toll, weil sie zum Ge­burtstag immer einen Gutschein für eine Spa-Behandlung schenkt. Mirko mit seinen selbst gemachten Marmeladen macht demgegenüber keinen so großartigen Eindruck. Natürlich ist ­eine Aromaölmassage, die man sich unerwartet gönnen kann, eine wundervolle, tatsächlich „dankenswerte“ Idee. Aber Mirko ist genauso ein Schatz wie Sofia – seine Erdbeermarmelade direkt aus dem Garten ist natürlich preiswert. Na und? Sie schmeckt einmalig.

Als Barbara das nächste Mal zum Tablet greift, sagt ihr Mann Roland: „Stopp.“ Er hat recht: weg mit dem Internet. Man sollte ­genießen, was andere einem zugedacht haben, womit sie eine echte Freude machen wollten. Es ist schließlich völlig egal, was etwas kostet, wenn es mit Liebe ausgesucht oder voll Fantasie hergestellt wurde. Es ist egal, ob es ein gebundenes oder ein ­Taschenbuch, von mir aus auch eine Remittende ist: Hauptsache, ich lese es gern. Ich merke am Text, ob der Schenkende sich etwas gedacht hat, ob er mich und meine Vorlieben kennt oder mir neue Horizonte eröffnet.

Manchmal hat etwas überhaupt nichts gekostet. Eine Freundin lädt die andere zum Tee ein und serviert dazu herrliche selbst gemachte Apfelringe, mit Schokolade überzogen. Der Ehemann schreibt seiner Frau ein Zettelchen mit den Worten: „Du bist die Liebe meines Lebens!“, und klebt es an die Kühlschranktür. Ein kleines Kind aus der Gemeinschaftsunterkunft der Asylsuchenden läuft zuerst ängstlich weg, versteckt sich lange – kommt dann doch wieder heraus und klettert einem auf den Schoß. Herzschlag und funkelnde Augen findet man halt nicht in der virtuellen, sondern nur in der realen Welt.
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Lange hab ich unsere Kirche verteidigt gegen die Vorwürfe, wir seien milieuverengt und bürgerlich. Nach solchen "Kolumnen" kann ich das nicht mehr. Es ist der Ton der Brigitte-Redaktion aus den 80ern. Die Redaktion ist gerade abgeschafft worden. Auch unsere Kirche ist -der Rekordaustritt 2014 ist da signifikant- gesellschaftlich nicht mehr plausibel.
Eine gewisse satirische Komponente hat der Text, wenn man bedenkt, dass unter der Verantwortung der Regionalbischöfin Breit-Keßler gerade 20 Millionen vom Kirchenamt verzockt wurden. Wer die Haltung hinter diesem Text analysiert, wundert sich darüber nicht mehr: wer rechnen kann -und will- ist im Managerposten klar im Vorteil