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Der Bäcker meines Vertrauens heißt Mauel und hat Geburtstag. Drum gibt es einen Mitmach-Wettbewerb unter dem Motto "Was ist dein Mauel-Moment?" Mein Mauel-Moment ist morgens um 6.45 Uhr, wenn ich das Plakat zum wiederholten Mal studiere, weil ich vor verschlossener Tür stehe. Mein persönlicher Mauel-Moment ist nicht immer der von Herrn Mauel. Mal sperrt er schon um 6.45 Uhr auf (hurra!), mal um Punkt sieben, wie es an der Tür steht. Aber das meint die Agentur natürlich nicht, die meinem Bäcker den Wettbewerb vermutlich eingeredet hat. Sie stellt sich Fotos von dampfenden Körnerbrötchen vor.
Ursula Ott
Ständig soll ich jetzt meine "Momente" fotografieren. Mit knackigem Backwerk den "Mauel-Moment", mit Stichsäge und Schlagbohrer meinen "Obi-Moment", mit Turnschuhen und verschwitztem T-Shirt meinen "Beat-Yesterday-Moment" der Fitnessmarke Garmin. Hilfe! Ihr wisst schon, dass mein Tag nur 24 Stunden hat? Ich habe keine Momente mehr frei! Echt nicht!
Offenbar hat die Werbebranche genau das verstanden: Viel los, alle im Zeitdruck, mehr als Momente kriegt sie nicht mehr von uns. Denn auch Tourismuszentralen werben nicht mehr um drei ordentliche, tarifvertraglich verbürgte schönste Urlaubswochen im Jahr. Sondern um Maikammer-Momente, Bonn-Momente, Berg-Momente, Sommer-Momente, Weihnachtsmomente, Kirschblüten-Momente und – Achtung: Hier-und-jetzt-Momente. Hier-und-jetzt-Momente? Klingt wie Buddhismus für Einsteiger. Ist aber ein Slogan für die ehemalige Hauptstadt Bonn, die gemütlich und nett ist, aber in Wahrheit viele Aus-und-vorbei-Momente ausstrahlt.
Mein chrismon-Moment findet morgens am Bahnhofskiosk statt. Da wird neuerdings chrismon plus verkauft, und ich bin immer gespannt, in welcher Nachbarschaft es liegt. Mal beim "Missy Magazin", mal bei "Der Pilger" und "Stern Nido". Mein Glücksmoment ist, wenn Sie es kaufen, weitergeben und weitererzählen. Sie brauchen auch kein Foto davon machen. Kaufen, lesen!