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In diesem Monat wird mit Spannung die Präsentation der "Bibel in gerechter Sprache" erwartet. Seit über fünf Jahren haben 52 Übersetzerinnen und Übersetzer daran gearbeitet. Schon gibt es heftige Anfragen: Was heißt hier "gerecht"? Maßt man sich an, besser zu sein als Martin Luther? Oder: Warum die Aufregung? Die ganze Bibel oder zumindest einzelne ihrer Bücher sind in 2403 Sprachen übersetzt, Übersetzung ist immer ein Prozess.
In der Bibel waren Frauen oft "mitgemeint"
Wer sich einliest in die "Bibel in gerechter Sprache", entdeckt, dass es hier um ein ungeheuer spannendes Projekt geht. Zum einen wird deutlich, dass auch in der Bibel Frauen oft "mitgemeint" waren. Da erweitert sich der Horizont unserer Vorstellungen, wenn wir erkennen: Frauen waren dabei. Wenn Paulus die "Brüder" in den Gemeinden anschreibt (zum Beispiel Römerbrief 12,1), wusste er sehr genau, dass viele Frauen dazugehörten. Die Übersetzung mit "Geschwister" nimmt das auf. "Geschlechtergerechte Sprache" ist für manche in der Kirche ein Schimpfwort. Hier wird klar: Davor muss niemand Angst haben, es geht der Bibel schlicht um Frauen und Männer gleichermaßen.
Auch das Gottesbild erweitert sich, wenn in der Übersetzung zum einen erkennbar wird, dass der Eigenname Gottes, die vier Buchstaben j-h-w-h, im alten Israel nicht ausgesprochen wurde. Dadurch wird deutlich: Gott lässt sich nicht in Sprache festhalten. Anstelle des Gottesnamens steht daher "Adonai" (die allein Gott vorbehaltene Herrschaftsbezeichnung), oder es gibt Varianten wie "Gott", "die Lebendige", "der Heilige". Gerecht werden soll die neue Übersetzung auch dem jüdisch-christlichen Dialog. Nun können vorhandene antijüdische Passagen nicht durch eine Übersetzung verdrängt werden. Aber an mancher Stelle wird in der neuen Übersetzung erkennbar, dass Jesus selbst in der jüdischen Tradition stand. Wenn Jesus etwa in der Bergpredigt die Schrift auslegt, stellt er sich nicht in einen Widerspruch dazu, wie es die Übersetzung "Ich aber sage euch" (Matthäus 5, 22) andeutet, sondern er interpretiert sie, wie andere Rabbinen, Schriftgelehrte, seiner Zeit auch. Die Übersetzung: "Ich lege das heute so aus" weist darauf hin.
Die Arbeiter im Weinberg sind nicht "müßig" - sie sind "arbeitslos"
Und schließlich geht es um soziale Gerechtigkeit, die sozialgeschichtliche Forschung kommt zum Tragen. Wenn die Arbeiter im Weinberg (Matthäus 20, 3) nicht "müßig" sind, sondern "arbeitslos", verstehen wir besser, um welche harte Realität es geht. Wenn von "Knechten und Mägden" die Rede ist, hört sich das heute nahezu romantisch an. Eine Übersetzung mit "Sklavinnen und Sklaven" macht klarer, welchen Status die Menschen hatten.
Ich hoffe, viele Menschen lassen sich auf die "Bibel in gerechter Sprache" ein! Das ist keine Abwertung der wunderbaren und kraftvollen Übersetzung Luthers, die in unseren Kirchen Standard bleibt und in vielen Ohren und Herzen klingt. Aber es ist eine Anregung zu vergleichen, zu lesen, es ist eine Möglichkeit auch für Menschen, die nicht des Griechischen und Hebräischen kundig sind, neu zu verstehen, was der Urtext meint. Vor allem aber zeigt die "Bibel in gerechter Sprache", dass die Bibel kein Museumsstück ist, sondern lebendig, weil sie nie statisch ist, sondern immer neu verstanden wird im eigenen Kontext. Das macht sie zum "Buch der Bücher". Und das stellt sie ins Zentrum unseres Glaubens.