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Am Anfang des Markusevangeliums finden wir ein ganzes Gewitter von Heilungen: Unreine Geister werden ausgetrieben, eine Fieberkranke wird geheilt, Besessene werden frei und Aussätzige rein. Dann die beinahe komische Geschichte vom Gelähmten, der wegen der Volksmenge nur durch ein Loch im Dach zu Jesus herabgelassen werden kann. Auch er will wieder laufen und tanzen können.
Es kann alles gut werden, hofft und glaubt der Gelähmte. Dieser Jesus ist der Meister der Lösung. Er löst die Zunge der Stummen, er öffnet die Ohren der Tauben, er öffnet die Augen der Blinden. Und mit jenem an sich selbst Gefesselten hoffen die Leute, die ihn übers Dach heranschleppen. Jesus sieht ihren Glauben, nicht nur seinen, sondern den Glauben derer, die ihn heranschleppen. Vielleicht ist der Glaube des Gelähmten allein zu schwach, und er braucht den Glauben der Freunde, die ihn tragen. Sie hoffen mit ihm und für ihn.
Ein schöner Gedanke: Man kann füreinander glauben und hoffen. Man kann für die glauben und hoffen, die man liebt und um die man besorgt ist. Menschen, die mich lieben, können für mich glauben, wo mein Glaube klein ist wie ein Senfkorn. Ich kann für die hoffen, die die Hoffnung schon aufgegeben haben.
###autor### In einem Kindergedicht von Achim von Arnim kommt ein „bucklicht Männlein“ dem Kind dauernd in die Quere. Die letzte Strophe: „Wenn ich an mein Bänklein knie, / Will ein bisslein beten, / Steht ein bucklicht Männlein da, / Fängt als an zu reden. / Liebes Kindlein, ach ich bitt, / Bet fürs bucklicht Männlein mit!“
Wenn meine Frau sonntags in die Kirche geht und ich aus irgendeinem Grund nicht mitkommen kann, sage ich gern (und sie sagt es, wenn sie nicht gehen kann): „Bet fürs bucklicht Männlein mit!“ Es gibt so viele „bucklicht Männlein“ und Fraulein, die ihre Gebete vergessen und ihren Glauben verloren haben. Oft gehören auch unsere Kinder und Enkel dazu, und oft genug wir selbst. Man kann darauf mit Ressentiment und Ärger reagieren. Man kann sie aber auch einfach mitnehmen in die eigenen Hoffnungen und Gebete.
Thomas von Aquin fragt, ob man für andere glauben und hoffen kann, und er bejaht. Wir sind nicht nur wir selbst, wir sind auch die, die von anderen mitgenommen werden in ihre eigene Hoffnung. Auch unsere Kinder sind hineingenommen in unseren Glauben für sie. Wir sind miteinander verflochten, im Guten wie im Bösen.
Eine Wahrheit, die wir spätestens mit der Reformation gelernt haben: Jeder steht und verantwortet für sich allein, er ist unvertretbares Subjekt; diese Wahrheit darf man nicht mehr aufgeben. Eine eher katholische Wahrheit, ebenso wenig aufzugeben: Wir stehen in Zusammenhängen, die wir nicht selbst erst herstellen. Unsere Glaubens- und Hoffnungswurzeln reichen in Tiefen, die wir nicht gegraben haben.
Ja, wir sind unvertretbar, sagen die Protestanten – zu Recht! Wir ernähren uns von Broten, die wir nicht selbst gebacken haben, sagen die Katholiken – zu Recht! Unsere Wurzeln reichen tief bis in die Hoffnung und den Glauben unserer Geschwister und unserer Toten. Ein mystischer Gedanke! Man muss ihn ja nicht glauben, aber man könnte ihn schön finden.
Wir sind alle „bucklicht Männlein“. Das ist ja keine Schande. Wir haben ja Träger, die für uns das Dach aufreißen und uns vor dem Meister der Lösungen herablassen. Er sieht ihren Glauben, nicht nur unseren, und so kann er uns endlich wieder auf die eigenen Hoffnungsbeine stellen. Ein bisschen hinken werden wir wohl weiter. Aber wer sagt denn, dass nur die mit den geraden Beinen tanzen können? Auch ein heiter-humpelndes Glaubensgelichter gefällt Gott.
Bitte mehr davon
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Endlich mal ein Beitrag hier, den ich wirklich gerne und auch wiederholt lese. Nicht zuletzt deswegen, weil Herr Steffensky es versteht, das Thema "glauben für andere" von mehreren Seiten her zu betrachten. Und das in bildhafter Sprache in nur schätzungsweise 30 Sätzen. Klasse. Bitte mehr davon.