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Eine Grunderfahrung vor jedem bedeutenden Bild: Man steht davor und schaut es sich an, aber das heißt noch lange nicht, dass man erkennen würde, was es da zu sehen gäbe. Es braucht eine Zeitspanne, die man sie sich bei einem normalen Museumsbesuch nicht nimmt. Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten Menschen nicht einmal eine halbe Minute vor einem Kunstwerk verweilen. Im Kunstgeschichtsstudium dagegen lernt man, dass man sich schon eine ganze Stunde nehmen sollte. Wichtig ist noch etwas Zweites, nämlich die Wiederholung. Die Augen öffnen sich noch einmal anders, wenn man dasselbe Bild wieder und wieder besucht – zu anderen Zeiten, in unterschiedlichen Stimmungen. Aber beides – die Ruhe und die Wiederholung – hat es nicht leicht in unserer aufgeputschten Unterhaltungskultur.
Für die christliche Bilderwelt kommt noch eine dritte Herausforderung hinzu: Viele Inhalte, Motive und Gestalten sind schlicht nicht mehr bekannt, nicht mehr selbstverständlicher Teil der eigenen Kultur, nicht einmal mehr erinnertes Erbe. Da hilft kein Jammern und Weinen. Man muss einfach versuchen, diese Bilder neu zu öffnen, ihre Geschichten zu erzählen, ihre Formen zu vermitteln, ihren Sinn aufzuschließen. Dabei kann die anfängliche Fremdheit auch von Nutzen sein, weil „das Andere“ auch das Neue und Interessante sein kann.
Es ist nicht lange her, da haben wahre Kunst-Connaisseure das Vermittlungsgeschäft nicht als eigene Aufgabe und als unter ihrer Würde angesehen. Diese Arroganz kann sich niemand mehr leisten. Echte Bilder-Freundschaft zeigt sich heute darin, dass man Lust hat, Bilder wirklich mit anderen zu teilen und dies auf kreative Weise. Ein Beispiel liefern englische Freunde von mir, die wunderbare Clips zu christlichen Bildwerken im Berliner Bode-Museum und der Gemäldegalerie gedreht haben. „Unlocking Christian Art“ haben sie ihr Projekt genannt.
Ein anderes Beispiel – jetzt kommt der Werbeblock – stammt aus dem Kulturbüro der EKD. Mein Kollege Klaus-Martin Bresgott hat seiner sehr beliebten Reihe „Sehen lernen“ eine dritte Folge hinzugefügt. Auf 128 Seiten beschreibt und erklärt er Werke und Formen der christlichen Kunst – auf den Punkt und mit überraschenden Bildbeispielen, so dass sich Kennerschaft, Lesefreude und Schaulust wie von selbst verbinden. So haftet dem Sehen-Lernen nichts von schulischer Mühsal an. Dieses schmale, leichte Buch macht neugierig, auch die Kirchen in der Nähe mit neuen Augen zu entdecken. Und zu entdecken, gibt es vieles. Zum Beispiel – und jetzt kommt endlich das Rätsel – unerwartete Utensilien wie Brillen auf den Nasen von Aposteln.
Und jetzt kommt das Rätsel und der Gewinn:
Wer uns eine E-Mail schickt und uns darin sagt, wo sich der oben gezeigte Petrus mit Brille befindet, bekommt ein Freiexemplar!. Alle anderen können es für eine geringe Schutzgebühr bei uns bestellen.
Beitrag claussen
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Wer bestimmt, was man zu sehen hat? :-)