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Martha kenne ich schon ein paar Jahre. Sie lebt zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder Joris in unserer Baugemeinschaft. Als wir hier einzogen war Martha 3, heute ist sie 9 Jahre alt und kommt nach den Ferien in die vierte Grundschulklasse. Martha hat viele Zukunftspläne. Sie möchte Schriftstellerin werden und schreibt schon länger regelmäßig ein Tagebuch.
In den ersten zwei Wochen der Sommerferien hatte sie nicht frei. Jeden Morgen um 9.45 Uhr packte sie ihre Tasche und ging "zur Arbeit" in die Kinderstadt, hier direkt bei uns vor der Haustür.
Die Idee hinter der Kinderstadt: Ein Ort, oder nein, eben eine kleine Stadt für Kinder, in der sie selbst bestimmen, wer sie wie regiert, wieviel Steuern sie zahlen, wer eine Wohnung bekommt und was das Mittagessen kostet. Wer wie ich als Erwachsene die Kinderstadt besuchten wollte, brauchte ein Visum.
Martha fand die Kinderstadt klasse, sie hat geplant und mitgebaut, als Journalistin bei der Tageszeitung und der Gärtnerei gearbeitet und in der Bäckerei Blaubeer-Waffeln gebacken.
Ich habe für die „Wohnlage“ mit Martha gesprochen, und sie gefragt, was sie dort gelernt hat und wie ihre Traumstadt aussieht:
Hallo Martha, wie fandest Du die Kinderstadt?
Super. Das war alles genauso wie bei den Erwachsenen in einer ganz normalen Stadt. Nächstes Mal will ich unbedingt wieder dabei sein. Eine Eisdiele wäre toll, ein Supermarkt müsste aufgebaut werden, um auch zwischendurch mal etwas kaufen zu können. Und wenn es geht, würde ich auch sehr gerne an den Vorbereitungen für die nächste Kinderstadt mitmachen.
In was für einer Stadt willst Du später mal leben?
In meiner Stadt wird es mehr Rasen und grüne Flächen geben, wo Menschen sich treffen können – zu Fuß, auf dem Rad. Und viele Schwimmbäder. Ich möchte da mit meiner Familie wie jetzt in einem großen Mehrfamilienhaus leben. An so einer Gemeinschaft gefällt mir besonders, dass die Nachbarn für einen da sind. Wir helfen uns, wenn wir Hilfe brauchen. Und ich hätte gern ein Aquarium, wir haben auch eins in der Schule. Außerdem sollte die Stadt gerecht sein. Niemand sollte benachteiligt werden. Ich find das doof, wenn Menschen keine Wohnung bekommen, nur weil sie aus Afrika sind, vielleicht eine andere Hautfarbe haben und eine andere Sprache sprechen.
Was findest Du in Deiner aktuellen Heimatstadt Hamburg nicht gut:
Es gibt zu viele Straßen, die würde ich wegmachen. Ich würde mehr Parks und Spielplätze bauen. Wer immer nur Straßen baut, denkt nicht an die Umwelt. Es gibt nur eine Welt und keine Welt B. In 30 Jahren könnten wir, wenn wir uns weiter so mit Autos und Straßen beschäftigen, nicht mehr da leben.
Hast Du in der Kinderstadt etwas über Wohnen, Bauen, Stadtplanung gelernt?
Ja. Ich hab gelernt, dass die Stadtverwaltung Vorschläge annehmen muss und schaut, ob man daraus etwas machen kann. In der Bauwerkstadt hab ich gelernt mit Werkzeugen umzugehen. Das kann für später nützlich sein. Und ich fand es gut, dass es da eine eigene Währung gab, mit der wir uns bezahlt haben. Wir bekamen pro Stunde 5 Kometen, so hieß das Kinderstadt-Geld. Vier dürften wir behalten, ein Komet ging an die Steuer. So was Ähnliches wünsche ich mir auch für unsere Schule. Dass es da einen Kiosk gibt und wenn wir fleißig waren und die Lehrer das toll finden, dann bekommen wir etwas in der Währung als Belohnung und können uns an dem Kiosk was dafür kaufen.
Wenn Du einfach träumen dürftest – was wäre Dein verrücktester Stadt-Traum?
Keine Busse oder Bahnen – ich würde gern auf Drachen fliegen.
Info:
Die Kinderstadt Hamburg fand jetzt zum zweiten Mal nach 2019 statt, nach dem Vorbild von Mini-München, einer Kinderspielstadt, die schon seit 1972 alle zwei Jahre stattfindet und in der nächsten Woche beginnt (1. bis 19. August 2022). Mittlerweile hat die Idee auch international großen Anklang gefunden; vergleichbare Kinderstädte gibt es in vielen Ländern Europas und darüber hinaus.
In Hamburg wird die Kinderspielstadt von der Patriotischen Gesellschaft von 1765 organisiert. Der Eintritt und Verpflegung sind frei für alle Kinder zwischen 7 und 14 Jahren. Die Finanzierung erfolgt über Sach -und Geldspenden verschiedener Hamburger Einrichtungen, Stiftungen und Behörden. In diesem Jahr kamen gut 300 Kinder täglich, ein schöner Erfolg, fanden die Organisatorinnen, allerdings wünschen sie sich noch eine größere Reichweite. Immerhin, so Hella Schwemer-Martienßen vom Orga-Team, gäbe es in Hamburg pro Jahrgang gut 13 000 Kinder. Besser als eine Kinderstadt für Hamburg während der Sommerferien seien daher viele – am liebsten eine für jeden Stadtteil.