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Mit den Medien ist so: Wenn man ein ernsthaftes Anliegen hat, kommt man nicht hinein; geht es aber um empörungsträchtigen Unfug, kommt man nicht wieder heraus. Eine geschätzte Kollegin auf Sylt hat das gerade bitter erfahren müssen. Bei mir dagegen kam es zu einem eher heiteren Beweis für die Richtigkeit dieser These.
Wie oft höre ich diese Klage: „Die Kirche sagt ja gar nichts zu...“ (ergänze: Corona, Ungerechtigkeit, Klimawandel, Abtreibung, Gendern, was auch immer). Vergeblich weise ich dann darauf hin, dass wir uns mitten in einer Medienrevolution befinden und einen radikalen gesellschaftlichen Wandel durchmachen. Da ist es nicht so leicht, mit wichtigen kirchlichen Themen Gehör zu finden.
Das habe ich selbst bitter erlebt, als ich zu Beginn der Pandemie auf Seelsorge, Sterbebegleitung, Besuchsmöglichkeiten hinzuweisen versucht habe. Ich kam nicht durch. Oder das Buch, in dem ich gerade mit Kolleginnen und Kollegen ein theologisches Nachdenken über die Konsequenzen anregen wollte, die aus der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in unserer Kirche zu ziehen wären – keine mediale Resonanz.
Aber dann äußere ich mich ausnahmsweise mal zu einer dieser sogenannten „Debatten“ und erkläre, warum ich all diese „Offenen Briefe“ für keine so tolle Idee halte – schon lande ich drei Tage später in den „Tagesthemen“, einer der wichtigsten Nachrichtensendung Deutschlands. „Endlich“, denke ich mir, „endlich, werde ich so berühmt wie Margot Käßmann!“ Doch die Pointe war: Es hat überhaupt niemand zugesehen. (Nur eine Kollegin schickte mir drei Tage später eine SMS.)
Merke: Mediale Aufmerksamkeit erzielt man fast nur noch über Empörung, Konflikte mit einer eindeutigen Alternative, einfachen und lauten Streit zwischen Gut und Böse. Für ausgeruhte, sorgfältig recherchierte, differenzierte Erörterungen haben Medienhäuser heute kaum noch Ressourcen. Stattdessen stehen sie unter Klick-Quoten-Druck. Das führt zu falschen Anreizen: Belohnt werden diejenigen im Journalismus, die am erfolgreichsten Zuspitzung und Polarisierung betreiben. Was wäre die Lösung? Das weiß ich nicht. Was uns trösten könnte? Viele Menschen nehmen immer weniger davon wahr und ernst, denn die mediale Erregungsschlange beißt sich nicht nur in den Schwanz, sondern hat ihn schon fast verschlungen.
P.S.: „Hinter den Kulissen des Documenta-Skandals. Was passiert bei einer kulturpolitischen Katastrophe?“ Keiner kann einen so guten Blick hinter die Kulissen eröffnen wie Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, dem Dachverband aller deutschen Kulturverbände. Mit ihm spreche ich in einer neuen Folge meines Podcasts „Draußen mit Claussen“.
Hallo Herr Claussen!
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Hallo Herr Claussen!
Ihr Wunsch ist gegen Menschenrechte. Es wäre doch zu langweilig, nicht nach Belieben empört (Gegenteil begeistert?) sein zu dürfen. Polemik ist dafür das Werkzeug. Davon leben alle Medien. Empörung ist die höchste Form des negativen Interesses. Das ist auch das Zahlungsmittel für Nebensächlichkeiten und eine Inflation der Ablenkung. Nicht schön aber menschlich. Aber Sie haben schon recht, wenn der Empörungsgrad aus dem Ruder läuft und das, was wirklich wesentlich ist, nicht mehr beachtet wird.
Dann warten Sie mal ab, ob
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Dann warten Sie mal ab, ob auf Dauer diese intellektuelle Abstinenz noch der öffentlichrechtlichen Erregunggschlange unterwürfig bleibt. Netflix u. TikTock ticken anders. Lt. Ebner Eschenbach: "Wer nichts weis, muss alles glauben". Wer aber alles glaubt was andere für ihn zu wissen vorgeben, weis letztlich nichts mehr und glaubt jeder Lüge.
TRUMP JOHNSON HITLER PUTIN
Die Gesellschaft ändert sich. Die Aufklärung hat eine andere Richtung eingeschlagen.
Die Dinge dürfen nicht
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Die Dinge dürfen nicht zerredet werden. Aber da die Medien ja offenbar alles wissen und sich selbst auch genug sind. kommt kaum Spannendes zutage.
Empörung ist wie eine kleine Sensation, sie erweckt den Eindruck einer kleinen Explosion, aber eben nur einer kleinen , doch das kennen wir alle schon zu genüge.
Das beeindruckt nicht mehr.
Der Tot der österreichischen Jungen Ärztin dagegen führt lediglich dazu, dass in Ihrem Blättchen eine Expertin zur allgemeinen Paranoia vor dem rechten Terror befragt wird! Wie berechtigt auch immer diese Befürchtung nun sein mag, einen wesentlichen Aspekt dieser Geschichte macht die unterlassene Hilfestellung der Polizei aus, die der Ärztin sogar unterstellt e, sie wolle sich nur stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit drängen!
Vielleicht sind die Medien einfach zu sehr an sich selbst und ihrem Fortbestand interessiert, als an ihrer eigentlichen Arbeit, nämlich dem Informieren, genauem Hinschauen, der objektiven Berichterstattung, usw. Das macht doch seriöse Medien aus.
Vielen Dank für diesen
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Vielen Dank für diesen Beitrag! Zur Verteidigung derer, die im Journalismus arbeiten, muss man aber auch sagen, dass die Arbeitsbedingungen sich erheblich verschlechtert haben: weniger Menschen, weniger Ressourcen, vor allem weniger Zeit. Dafür mehr Aufgaben, nämlich zusätzlich zum analogen Altgeschäft auch noch das digitale Neugeschäft. Und falsche Anreize: Belobigt wird, wer Klicks generiert.