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Die Ausgangs- und Kontakteinschränkungen sind eine bittere Medizin. Hoffentlich helfen sie. Wie bitter sie sind, merkt man an vielen Stellen. Ein Aspekt wurde bisher kaum wahrgenommen, das ändert sich nun. Das „social distancing“ soll Leben retten. Aber es betrifft – verletzt – auch die Art, wie Menschen sterben und dann verabschiedet werden.
Über die Jahre haben wir gelernt, was hochbetagte, dementiell veränderte Menschen brauchen: menschliche Nähe, ein zugewandtes Gesicht, eine freundliche Berührung. Über die Jahre haben wir gelernt, was eine sorgsame Sterbebegleitung bedeutet: Wichtiges kann mitgeteilt, Strittiges kann geklärt werden, ein Abschied im Guten wird möglich. Und über die Jahrhunderte haben wir gelernt, wofür eine würdige Beerdigung gut ist: gemeinsam wird eines Verstorbenen gedacht, sein Leben wird mit der christlichen Glaubensbotschaft verbunden, sein Leib wird in die Erde und seine Seele in Gottes Hand gelegt.
All dies ist zurzeit nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Das ist bitter. Es gibt gute Gründe dafür. Es gibt aber auch gute Gründe, hier über einen schrittweisen Ausstieg aus dem Ausstieg nachzudenken. Denn die seelischen Folgen sind sehr hoch. Ich weiß um die Verantwortung von Klinik- und Pflegeheimleitung, doch frage ich mich, was es dementiell veränderten oder gar sterbenden Menschen nutzt, wenn sie ihre letzte Zeit in Quarantäne verbringen müssen.
Das Inbild eines einsamen Sterbens ist der Tod Jesu am Kreuz, am Karfreitag. Aber ich denke auch daran, wie der Evangelist Johannes davon erzählt. Sterben muss Jesus allein, aber nicht ganz allein. In einem letzten Moment wendet er sich an seine Mutter und seinen Lieblingsjünger und verweist sie aufeinander. So bleiben sie nicht allein zurück. Dann stirbt er, wird vom Kreuz genommen und der Tradition nach bestattet. Es ist vollbracht.
P.S.: Das Foto stammt vom Friedhof Ohlsdorf, Hamburg.