Häfner
Brücken bauen - Türen öffnen
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
06.10.2019

Ist es Zufall oder ein Zeichen unserer Zeit? Mir begegnen jedenfalls gegenwärtig viele hochaggressive Totalabwertungen meiner lieben Kirche. Dass sie von allen guten Geistern verlassen sei, keine Glaubenskraft mehr besitze und sich in unbedachtem Politisieren verliere. Nun gehört präzise, konkrete Kirchenkritik zu meinem eigenen, theologischen Kerngeschäft, und in der Tat gibt es viele Anlässe, sich Sorgen um die evangelische Kirche zu machen. Grundsätzlich, und weil sie wie jede große Institution ihre eigenen Absurditäten produziert. Überhaupt sind der menschlichen Torheit keine Grenzen gesetzt, auch in der Kirche nicht. Aber ist das wirklich entscheidend, aussagekräftig und interessant?

Da halte ich doch lieber Ausschau nach dem, was kreativ und konstruktiv ist, neugierig macht und Freude bereitet. Und da gibt es vieles – oft abseits der breit ausgetretenen Wege, fern der allzu bekannten Orte.

So erreichte mich jetzt die Nachricht von einem Kunstprojekt, das die evangelische Dreieinigkeitsgemeinde zu Nürnberg gemeinsam mit dem Bürgerverein Gostenhof und DATEV, einer örtlichen Software-Firma, realisiert hat. „Brückenbauer“ haben sie es genannt. Alle Menschen, die im Stadtteil leben oder arbeiten, wurden eingeladen, Bild-Ideen einzureichen, kleine symbolische Signale, die sie in den öffentlichen Raum von Gostenhof senden möchten. Daraus haben die Künstler-Brüder Guido und Johannes Häfner etwa 300 Edelstahlplaketten gestaltet. Dann haben sie diese zu einem großen Tor verbunden und vor dem Eingang der Dreieinigkeitskirche angebracht. Sehr Unterschiedliches verbindet sich hier zu einem Gemeinschaftswerk: Motive aus der christlichen Tradition oder der ägyptischen Mythologie, Vertrautes wie die Friedenstaube, populäre Emojis wie der „Daumen nach oben“, Hochsymbolisches, Seltsames, Lustiges, Elementares. Eine Blume, eine Schnecke, ein Schaf, ein Haus, der Globus als Luftballon. Hinter jedem Piktogramm steht ein Mensch, eine Lebensgeschichte, eine Weltsicht – und alles fügt sich friedlich zu einer Skulptur von über fünf Meter Höhe. Ein Bild dafür, wie unsere Kirche und unsere Gesellschaft eigentlich sind oder sein sollten. So etwas kann geschehen, wenn Menschen begeistert zusammenarbeiten, Kunst, Kirche und Gemeinwesen sich begegnen: Brücken werden gebaut, Türen werden geöffnet. Hätte das nicht sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient?

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur