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Manchmal mag ich sie einfach nicht mehr sehen, die Bilder von freundlichen Menschen mit Chemomütze, die mir aus medizinischen Broschüren, aber auch aus Zeitschriften fröhlich entgegenlächeln.
„Egal wie die ärztliche Diagnose ist, verliert nie die Hoffnung - Glaubt an euch“ lese ich von einer Patientin mit einem sehr guten Krankheitsverlauf. Und ich sitze da mit meinem verbeulten Leben und frage mich, ob mir und meinen Blutwerten einfach der Glaube fehlt.
Hoffnung ist mit Sicherheit nie verkehrt, aber sie bringt den Krebs nicht zum Verschwinden. Auf den Punkt gebracht erklärte mir ein Psychologe den wissenschaftlichen Sachstand mit folgendem Bonmot: „Optimisten leben nach einer Krebsdiagnose zweifelsohne besser, aber nicht länger“.Das Deutsche Krebsforschungszentrum schreibt dazu: „Eine aktuelle Studie mit sehr vielen Teilnehmerinnen zeigt: Zwar kann Krankheit unglücklich machen. Unglück scheint sich jedoch umgekehrt nicht auf die Sterblichkeitsrate auszuwirken.“
Vorbildliche Kranke
Trotzdem sollen wir Kranken laut so manchem vermeintlich mutmachenden Artikel nicht nur mit Fröhlichkeit den Krebs besiegen, sondern auch noch mit gesundem Essen. Auch hier ist die wissenschaftliche Datenlage eher mager, trotzdem kann ich die Ratschläge für eine gesunde Ernährung bei Krebs mittlerweile schon runterbeten. Schokolade und kaltes Bier gehören leider eher selten dazu und so gelingt es mir auch hier nicht, eine vorbildliche Kranke zu sein.
Eine weitere wenig überraschende Aufgabe für uns Kranke: Bewegung im Freien.
Keine Frage, sportliche Angebote der gemeinnützigen Organisation „OutdoorAgainstCancer“ und anderer Einrichtungen haben sicher schon vielen Patient*innen helfen können. „Anstatt im Cafe zu sitzen, gehen wir raus“, diese betüttelnde Aufforderung geht mir persönlich aber einfach zu weit. Schon aus reinem Protest bleibe ich da einfach sitzen und rühre mich zwei Stunden überhaupt nicht mehr.
Eines erreichen diese Ermahnungen und Aufforderungen aber auf jeden Fall: Krebskranke zweifeln an sich selbst, ihrer Lebensweise, ihrer Disziplin und ihrem Glauben.
Ehrliches Mitleid tut einfach gut
Es gab Zeiten in meiner Krankheit, da war Duschen für mich schon Sport genug und meine Hauptnahrungsmittel Würstchen und Gummibärchen. Das ist kein Versagen, sondern einfach Realität einer Krebserkrankung. Trotz aller Berichte, was wir kranken Menschen heutzutage alles hinkriegen und leisten können, geht es vielen krebserkrankten Menschen oft genug einfach nur zum Kotzen. „Sie wollen ja bestimmt kein Mitleid“, meinte eine alte Frau aus meiner Kirchengemeinde schon fast entschuldigend, als sie mich zufällig mit Chemomütze auf der Straße traf. „Doch, das ist schon in Ordnung, das kann ich gut gebrauchen“, antwortete ich spontan.
Mitleid ist durch den Protest behinderter Menschen unter Generalverdacht geraten. Wer gar nicht unter seiner Behinderung „leidet“, will durch falsches Mitleid nicht zum Opfer werden.
Wenn ich aber wirklich leide, dann ist das anders, dann tut mir ehrliches Mit-Leiden, ein mitfühlender Blick auf die Schwere der Situation einfach richtig gut. Und dann mag ich wirklich gar nichts hören von der berüchtigten Trias für Krebskranke: Positiv denken, gesund essen und immer schön bewegen.