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Null Prozent Kohle und 80 Prozent Ökostrom bis 2030. Kann die neue Bundesregierung diese Ziele erreichen?
Vorab: Wenn die letzten drei Bundesregierungen das Ausbau-Tempo der Erneuerbaren in den Jahren 2000 bis 2011 fortgeführt hätten, wären wir schon heute bei 100 Prozent Ökostrom. Das beweist: Selbstverständlich kann dieses Ziel erreicht oder auch übertroffen werden. Alle Technologien sind bekannt und vorhanden. Entscheidend ist allein der politische Wille.
Im neuen Koalitionsvertrag nimmt der Klimaschutz viel Raum ein, wenn auch manche Aussagen sehr vage sind. Schon die Groko beschloss – angetrieben vom bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts – bis 2030 65% Ökostrom statt nur 55% zu erreichen.
Bald-Kanzler Olaf Scholz hatte schon im Wahlkampf angekündigt, dass die bürokratischen Hürden für die Erneuerbaren rasch beseitigt würden. „Statt in sechs Jahren, kann ein Windpark auch in sechs Monaten genehmigt werden“, versprach der nächste Kanzler. Er, der sich als „Klimakanzler“ plakatieren ließ, wird sich daran messen lassen müssen. Es war nicht der fehlende Wille der Bundesbürger, es waren die bürokratischen Hürden der Politik, die den rascheren Ausbau der Ökoenergien bisher ausgebremst haben.
Doppelte Landwirtschaft
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Klimaschutzziele zu erreichen, hat für uns oberste Priorität“. Oberste Priorität! Deshalb sollen bis 2030 auf See 30 Gigawatt Windenergie installiert werden. 20 Prozent waren bisher vorgesehen. An Land sind zwei Prozent der Fläche für Windräder geplant. Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden – private wie auch gewerbliche sowie die von öffentlichen Gebäuden. Hinzu kommen landwirtschaftliche Flächen, die doppelt genutzt werden können: unten traditionelle Landwirtschaft und fünf Meter darüber Photovoltaik-Anlagen. Neue Agri-Landwirtschaft!
Damit die hehren Ziele auch verwirklicht werden, sollen die erneuerbaren Energien nach dem Koalitionsvertrag als „öffentliches Interesse“ definiert werden. Wie nach dem Erneuerbaren Energien-Gesetz aus dem Jahr 2000 sollen die Öko-Energien auch in Zukunft bevorzugt ins Netzt eingespeist werden.
Ein wichtiges Instrument der neuen Bundesregierung ist ein angemessener CO2-Preis, der zur Zeit bei circa 70 Euro je Tonne liegt. Sollte dieser Preis unter 60 Euro fallen, wird die Bundesregierung durch „nationale Maßnahmen“ eingreifen. So werden die alten fossilen Energieträger immer teurer indem sie sich „der ökologischen und ökonomischen Wahrheit“ (Ernst Ulrich von Weizsäcker) annähern. Und die erneuerbaren Energien werden immer preiswerter. Die Erneuerbaren wurden seit dem Jahr 2000 um über 90% preiswerter, weil ihre Rohstoffe weitgehend kostenlose Geschenke des Himmels sind.
Klimaschutz al Konjunkturprogramm
Während zur Zeit die Preise der alten Energien weltweit stark steigen, ist Solar- und Windstrom schon seit einiger Zeit Sozialstrom. Wer eine Solaranlage auf dem Dach oder an der Fassade hat, oder Windstrom erzeugt, hat kein Problem mit höheren Energiekosten. Das gleiche gilt für E-Autofahrer, die ihren Strom selbst produzieren. Schon deshalb boomt der Markt für E-Autos sowie für Solar- und Windanlagen. So wird Klimaschutz zu einem wichtigen und erfolgreichen Konjunkturprogramm mit vielen neuen Arbeitsplätzen.
Zur Energiewende gehört auch die Verkehrswende
Sie wird zur Nagelprobe der neuen Bundesregierung werden. Sollte das FDP-geführte Verkehrsministerium weiterhin eine „Freie Fahrt für freie Bürger“-Autopolitik betreiben, wird es trotz der Stromwende schwer werden, das Pariser Klimaschutz-Ziel zu erreichen.