Lena Uphoff
Ursula Ott über aufgeblasene Phrasen. Diesmal: Epoche
Tim Wegner
17.12.2012

Wie lange dauert eigentlich eine Epoche? Gute Frage zum Jahreswechsel. Das Lexikon versteht darunter einen „längeren geschichtlichen Abschnitt mit grundlegenden Gemeinsamkeiten“. Aber was, bitte schön, ist länger? Drei Jahre? So lange hat es die Frauenzeitschrift „Brigitte“ durchgehalten, statt professioneller Models lieber normale Frau­en zu fotografieren. „Eine neue Epoche beginnt“, verkündete das Blatt im Sommer 2009. Und – nein, kleiner ging es nicht: „Wir starten eine Revolution.“

Das Revolutiönchen bestand dann daraus, dass Eva, Merit und Inge die grund­legende Gemeinsamkeit hatten, genauso ­schmale Hüften zu haben wie Profimodels. Aber offenbar stellten sie sich so tapsig an beim Posen, dass die Epoche schon 2012 zu Ende war, jetzt dürfen wieder Models ran. Und wir Normalfrauen wissen, dass die eine Hälfte von uns zu dick ist zum Fotografieren, die andere Hälfte zu doof. Tolle Revolution.

Und was beginnt am 1. Januar? Genau: schlicht ein neues Jahr!

Oder fängt eine Epoche dann an, wenn ­einer schlicht in den Ruhestand geht? „Eine andere Epoche öffnet sich“, sagte allen Ernstes Nicolas Sarkozy im Juni 2012. Dabei hatte er einfach nur die Wahl verloren. Und was ein französischer Staatspräsident kann, geht auch dem Präsidenten der Handwerkskammer für Oberfranken locker von den Lippen. Als der nach 17 Jahren verabschiedet wird, endet die „Epoche Kurt Seelmann“. Und wenn der Bürger­meister im badischen Grafenhausen nach 32 Jahren in Ruhestand geht, schwelgt die ­Lokalzeitung: „Ein epochales Ereignis“.

Gerade reden wir Journalisten ja gerne darüber, dass die Epoche des gedruckten Wortes zu Ende geht. Das wird schon so schnell nicht passieren. Aber Grund genug, über gutes und schlechtes Deutsch nachzudenken. Der Altmeister des Journalismus, Wolf Schneider, ­Verfasser von „Deutsch für Profis“, nannte ­unlängst die Kardinaltugenden seiner Zunft: Augenmaß, Misstrauen, Rückgrat, Verweigerung. Und mit Augenmaß betrachtet – sind die meis­ten Epochen eher keine. Also lieber sparsam mit dem Großsprech, sonst glaubt uns eines Tages keiner mehr, wenn wirklich mal wieder so etwas zu Ende geht wie die DDR. Oder die Aufklärung. Oder der Kalte Krieg. Das waren echte Epochen. Ach ja, und am 1. Januar be­ginnt schlicht: ein neues Jahr.

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