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Nun steht die parlamentarische Entscheidung ins Haus: Darf in Deutschland an embryonalen Stammzellen geforscht werden? Solche Stammzellen herzustellen verbietet das Embryonenschutzgesetz von 1990. Denn dazu müssen Embryonen getötet werden. Sie aber gelten uns als menschliche Lebewesen und zwar von dem Augenblick an, in dem Eizelle und Samenzelle miteinander verschmelzen. Das menschliche Leben verdient unsere Achtung von Anfang an. Wer so denkt, kann auch den Import embryonaler Stammzellen nicht befürworten. Denn sie werden auf eine Weise gewonnen, die ethisch nicht vertretbar und rechtlich nicht gedeckt ist.
Die Gegenüberlegung wird mit gleichem Ernst vertreten: Die embryonalen Stammzellen tragen noch die Möglichkeit in sich, zu Hautzellen, Nervenzellen oder Herzmuskelzellen zu werden. Wenn wir verstanden haben, wie diese Entwicklung funktioniert, können wir eines Tages vielleicht auf erwachsene Stammzellen so einwirken, dass sie zu Nervenzellen oder Herzmuskelzellen werden. Daraus ergeben sich Heilungschancen, die heute zwar noch ungewiss, aber trotzdem verheißungsvoll sind.
Dafür freilich muss man den Embryo auf seinen frühen Stufen aus dem Lebensschutz ausklammern. Die Befürworter sagen: Schwangerschaft beginnt sowieso erst mit der Einnistung des Embryos in der Gebärmutter. Und viele auf natürliche Weise erzeugte Embryonen gehen doch unerkannt vor der Einnistung ab. Eine Biomasse, mit der die Natur so verschwenderisch umgeht, kann doch erst recht zu Zwecken der Forschung genutzt werden.
Eine solche Überlegung übersieht einen entscheidenden Gesichtspunkt. Den im Mutterleib gebildeten Embryo kann in den ersten Tagen niemand schützen; die Mutter ahnt oft nicht einmal etwas von ihm. Den in der Petri-Schale erzeugten Embryo haben wir dagegen bewusst geschaffen. Nun ist er uns anvertraut als ein menschliches Lebewesen, das mehr ist als eine Sache, mit der wir nach Gutdünken umgehen dürften. Insofern steht unser Respekt vor menschlichem Leben überhaupt auf dem Spiel.
Kann es bei so grundsätzlichen Differenzen einen Kompromiss geben? Wenn er tragfähig sein soll, muss er vor allem eins leisten: unserem Respekt vor dem menschlichen Leben auch auf seinen frühen Stufen Ausdruck geben. Auch weiterhin muss ausgeschlossen werden, dass menschliches Leben zu Forschungszwecken erzeugt und damit als bloßes Mittel zum Zweck betrachtet wird. Der Nationale Ethikrat hat versucht, sich einem solchen Kompromiss zu nähern, indem er strenge Bedingungen für einen möglichen Import formuliert. Würden sie aber auf Dauer halten? Oder sollen sie nur dabei helfen, dass man leichteren Herzens den Rubikon überschreitet?
Es geht um den Respekt vor dem menschlichen Leben auch auf seinen frühen Stufen. Er ist freilich durch andere Entwicklungen genauso stark bedroht wie durch die Embryonenforschung. Wer durch hunderttausend im Vorkernstadium eingefrorene Frühembryonen beunruhigt ist, kann auch bei 160000 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr nicht ruhig bleiben. Wenn es uns ernst ist mit dem Schutz von Embryonen, dürfen wir uns auch nicht damit abfinden, dass der Schwangerschaftsabbruch manchmal so praktiziert wird, als sei er eine nachgeholte Form der Empfängsnisverhütung. Wolfgang Huber