Große Fragen der Menschheit: Wie konnten unsere Vorfahren existieren, bevor die Handy-Flatrate, glutenfreies Mehl und Amazon erfunden wurden? Und ist menschliches Leben möglich ohne Photoshop?! Kinder, ja, früher, als sowieso alles besser war, da war das möglich. Behauptet Oma. Sie hat den Film eingelegt und geknipst. 24 oder 36 Bilder, dann kam der volle Film ins Labor. Die haben ihn entwickelt und kostspielige Abzüge hergestellt, das dauerte eine gute Woche, in der Oma bangen musste: Sind die Fotos "was geworden"?
Majken Folden Rehder
Natürlich sind sie meistens was geworden – wenn auch nicht perfekt. Da sieht man noch Omas Finger auf dem Abzug, Cousine Heidi hat den Sonnenschirmständer mitten im Gesicht, Hedwig guckt erschrocken, und Tante Kathrin krümelt noch mit der Käsetorte. Trotzdem hat Oma das völlig überbelichtete Bild in die Fotoecken gefriemelt und ins Album geklebt.
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Ist doch schön, so eine Erinnerung an Erwins 50. Geburtstag, als es so überraschend warm war und alle auf der Terrasse saßen. Schade, dass der Kopf des Geburtstagskindes abgeschnitten ist, aber egal. Guckt doch mal, wie jung sie damals waren! Wie herrlich unscharf der akkurat gemähte Rasen, wie sich die Tante zurechtgemacht hat für den großen Tag, Erwins schicker Anzug, die Kleine in Lackschuhen, die Tüllgardinen frisch gewaschen.
Da staunen Omas Enkel heute. Denn sie würden solche Fotos selbstverständlich direkt löschen und die etwas besseren sorgfältig bearbeiten, begradigen, beschönigen, bevor sie sie bei Instagram einstellen. Sie lächeln und lästern ein wenig über die heile Welt, die sich in Omas Fotoalbum so unvollkommen präsentiert – wie sie in Wirklichkeit doch auch war. Und wie sie, trotz Photoshop, in Wirklichkeit immer noch ist.