Geschwister
Dieser besondere Klebstoff
Geschwisterliebe. Manchmal ergibt sie sich von selbst. Oft muss sie gepflegt werden. Und wenn sie fehlt? Sechs Familiengeschichten
Geschwister - Dieser besondere Klebstoff
Sind ja nicht zufällig drei. Wie die Musketiere. Bei den Eberts heißt es: "Einer für alle, alle für einen"
Sebastian Lock
Aktualisiert am 10.04.2024
21Min

Hier kommt die Ebert-Gang

Drei Geschwister, allesamt in ihren Sportarten auf Weltniveau: Amélie Ebert, 27, war als Synchronschwimmerin Achte bei der WM, gab den Sport aber aus finanziellen Gründen auf und beendet gerade ihr Medizinstudium – mit Fortbildung in Osteopathie. Sie engagiert sich für den Verein Athleten Deutschland. Constantin Ebert, 25, spielte Basketball in der Ersten Bundesliga, ging aber in die dritte Liga zurück, um sich mehr auf sein Studium Internatio­nales Management zu konzentrieren. Leonie Ebert, 21, ist vierfache deutsche Meisterin im Florettfechten und startete als Jüngste im Nationalkader bei Olympia in Tokio.

chrismon: Wenn ihr euch trefft, spielt ihr gern Basketball oder Volleyball. Nach Punkten?

Amélie Ebert: Klar! Es macht einfach Spaß, sich mit jemandem zu messen, mit dem man sich gut versteht.

Wer gewinnt?

Amélie und Leonie Ebert: Constantin natürlich, er ist einfach ein Allrounder.

Privat

Sebastian Lock

Sebastian Lock ist sehr glücklich über die vielen wunderbaren Menschen, die er auf seiner ­Fototour für diesen Text kennenlernen durfte. Lock arbeitet als Fotograf und Gestalter für Magazine, Unter­nehmen und Agenturen und ­leitet das Kreativbüro ZH 4. Er lebt in Nürnberg.

Beim Blick auf Instagram merkt man, wie dick ihr ­miteinander seid. Da gibt’s den Hashtag "Ebert-Gang". Woher kommt das?

Leonie: Wir haben viel zusammen durchgemacht. Ich weiß, dass ich mich zu hundert Prozent auf die beiden verlassen kann.

Amélie: Wenn ich fürs Examen lerne und nebenbei auf einem Minibildschirm Leonies Fechtwettkampf anschaue, sagen meine Kommilitonen: Die Ebert-Gang mal wieder.

Leonie: Amélie fährt manchmal stundenlang zu meinem Trainingslager, um mir nachts einen Muskel zu behandeln. Und wenn Consti ein wichtiges Spiel hat, fahren wir alle hin.

Lesen Sie hier: Wie starker Altersunterschied zwischen Geschwistern die Familie prägt

Was hat euch zusammengeschweißt?

Leonie: Unser Leben war nicht immer einfach, meine Mutter musste alles allein stemmen.

Amélie: Der Leistungssport hat das gesamte Leben beeinflusst. In der Schule hat man eine besondere Stellung, weil man viel weg ist, was Mitschüler oft nicht verstehen. Man kann nur selten auf Partys. Man ernährt sich gesund und meidet die Mensa. Man ist nicht Mainstream.

Leonie: Viele haben nicht verstanden, dass der Sport für mich einen so hohen Stellenwert hatte, mich die unterschiedlichen Anforderungen glücklich machten. Aber meine Geschwister haben das Gleiche gemacht. Sie waren als Vorbilder extrem hilfreich.

Amélie, wie war es für dich, die Älteste zu sein?

Amélie: Ich habe mich nie in der Vorreiterrolle ge­sehen. Jeder hatte eigene Herausforderungen.

Leonie: Ich habe Amélie verehrt. Weil sie so vieles ge- macht hat. Auch den Cons­ti, der in allen Nachwuchsna­tionalmannschaften krass unterwegs war.

Constantin Ebert: Amélie war ja nur eine Klasse über mir. Leonie ist drei Jahre jünger, hat sich aber viel schneller entwickelt. Ich glaube, auch deshalb ver­stehen wir uns so gut.

Amélie: Consti war schon immer super reflektiert, auch während der Scheidung unserer Eltern. Da waren wir beide emotional, und du warst sehr besonnen und fair.

Damals wart ihr Kinder. Wie habt ihr die Scheidung erlebt?

Leonie: Wir wollten unbedingt zu unserer Mutter, es war für uns eine enorm unsichere Zeit.

Constantin: Unser Vater hat unsere Entscheidung nicht hingenommen. Selbst das Gutachten einer Psychologin hat er infrage gestellt. Ich wollte einfach nur Harmonie.

Wie hat euch diese Zeit geprägt?

Amélie: Ich war zehn und habe den Konflikt mit meinem Vater gesucht und dafür gekämpft, dass wir bei unserer Mutter sein können. Das hat die späteren Konflikte in meinem Leben beeinflusst. Gegen Ungerechtigkeiten habe ich mich immer eingesetzt.

Leonie: Ich habe gemerkt, dass meine Geschwister mich beschützen. Seitdem sind wir ein starkes Team. Meine Mutter hat uns dann fast ohne finanzielle Unterstützung von unserem Vater großgezogen. Trotz Fulltime-Job hat sie uns mit Leichtigkeit das Gefühl gegeben, dass alles gut ist, und uns alles ermöglicht.

"Ich habe gemerkt, dass meine Geschwister mich beschützen. Seitdem sind wir ein starkes Team"

In den Leistungssport rutscht man nicht mal eben so . . .

Leonie: Auf Amélies Schreibtisch standen Pokale von der deutschen Meisterschaft. So etwas wollte ich auch. Für mich war klar: Ich gehe nach der Schule ins Training, ich mache als Letzte das Licht aus, ich gehe nicht auf Partys. Als ich älter wurde, wart ihr schon professionell und habt mir alles beigebracht, so dass auch ich schon früh meinen Sport professionell betrieben habe.

Man hat das Gefühl, ihr pusht euch gegenseitig. Kommt da Druck auf?

Constantin: Nein, sondern gegenseitiger Respekt. Jeder hatte seinen eigenen Weg. Ich bin zum Profibasketball gegangen, weil ich große Freude an dem Sport hatte. Ein Kreuzbandriss warf mich etwas aus der Bahn. Daraufhin bin ich in die dritte Liga gewechselt, wo ich auf hohem Niveau spiele, aber auch Zeit für die Uni habe.

Amélie: Ich liebe es einfach, mich nach Musik im Wasser zu bewegen und die Musik zu interpretieren . . .

Leonie: Amélies Training war immer extrem hart. Wir haben riesigen Respekt vor dem, was sie geleistet hat. Ich genieße das Abenteuer Nationalmannschaft. Ich bin ziemlich jung schon überall hingereist. Mein Gefühl war eher: "Wow, ich bin in Havanna oder Schanghai, da ist ein Wettkampf und viele Leute und ich freue mich drauf." Diese Begeisterung habe ich heute noch.

Die Finanzierung in euren Sportarten ist schwierig. Ist das nicht frustrierend?

Constantin: Ich bin privilegiert und werde dafür bezahlt, dass ich Basketball spiele. Ich kann mich dadurch auch als Student finanzieren. Das sieht bei Leonie und Amélie ­anders aus. Nur wenige bekommen Sporthilfe und nur ­etwa 300 bis 400 Euro im Monat.

Lesen Sie hier: Die Suche nach dem verlorenen Vater

Leonie: Im Fechten hat man kaum Chancen auf große Sponsoren. Während der Corona-Krise habe ich zwei verloren. So versuchen wir, uns gegenseitig zu unterstützen. Meine Mutter hat ihre Altersvorsorge investiert. Ich kann meine Dankbarkeit gar nicht ausdrücken.

Amélie: Die Nationalmannschaft hat mich 1000 Euro ­Eigenbeitrag im Jahr gekostet. Dazu Vereinsbeitrag, Startgeld, Trainer, Choreographie. Consti hat als Erstligist sein Geld damals nicht zurückgelegt, sondern mich unterstützt. Jetzt geht es darum, dass Leonie ihren Athletiktrainer und Osteopathen finanzieren kann in der Olympiavorbe­reitung! Man strengt sich so an, und dann scheitert es am Geld. Traurig!

Ihr habt so volle Terminpläne, wie schafft ihr es, eure Beziehung zu pflegen?

Amélie: Wir versuchen wirklich, uns zu dritt zu sehen. Und wenn es ein Kurztrip für ein Wochenende ist. Weihnachten ist heilig, schon weil dann endlich mal alle zu Hause sind!

Interview: Sabine Oberpriller

Kleine Geschwister mit offenen Armen

Eva, 41, und Philipp, 46, halfen der heute 53-jährigen Ariyamala, in ihrer Adoptivfamilie zu überleben. Hier treffen sie sich vor einem Konzert in Würzburg

Ich wurde in einem Dorf in Südindien geboren und war immer mit meinen vier Brüdern auf der Straße unterwegs, Essensreste im Müll sammeln und so herumstreunen. Einer war jünger, drei waren älter als ich. Wir waren Tag und Nacht zusammen, das hat mich geprägt. Ich brauche Gemeinschaft, das Gefühl, mit vielen am Tisch zu sitzen und zu teilen. Das ist wohl meine indische Seite.

Als ich fünf war, starb mein Vater. Eine christliche ­Ärztin sagte meiner Mutter, dass ich ein besseres Leben haben würde, wenn sie mich zur Adoption freigibt. Sie brachte mich in ein christliches Mädchenheim, wo ich viele "Geschwister" hatte. Aber ich war allein. Niemand hat mir etwas erklärt, ich wusste überhaupt nicht, was los war, warum meine Mutter nicht mehr kam.

Mit sieben wurde ich in ein Flugzeug gesetzt. Meinem neuen Papa und meiner Mama hatten Ärzte gesagt, dass sie keine Kinder bekommen könnten. Der Papa wünschte sich ein indisches Adoptivkind, und so machten sie ihre Hochzeitsreise nach Indien und suchten mich aus, weil ich die schönsten traurigen Augen hatte. So hat es mir der Papa erzählt. Drei Tage, nachdem er mich vom Flughafen in Frankfurt abgeholt hatte, bekam die Mama den Philipp. Das war 1975.

"Philipp habe ich immer mit mir rumgeschleppt, das kannte ich von Indien"

Ich hätte nicht überlebt in dieser Familie ohne diesen kleinen Bruder. Ich habe ihn mit mir rumgeschleppt, das kannte ich von Indien. Sonst war ja alles fremd für mich. Philipp war warm, weich und rund, spürbare menschliche Nähe. Schwer war er und hat mich zartes ­Wesen geerdet. Ich sage immer: Ich habe Philipp ­äußerlich gehalten, er hat mich innerlich gehalten. Sechs Jahre ­später kam die Eva auf die Welt. Mit ihr war es auch so.

Ich habe mir viele schöne Sachen für die beiden ausgedacht, Geschichten erfunden, vorgelesen, Philipp und Eva habe ich jeden Tag in den Kindergarten gebracht. Wenn ich mit meinen Freundinnen in die Eisdiele ging, habe ich Eva mitgenommen, zu Hause war sie viel bei mir im Zimmer. Wir drei waren sehr eng.

Mit 17 hatte ich einen viel älteren Freund. Um das zu beenden, haben mich die Eltern in eine 350 Kilometer entfernte Gastfamilie geschickt. Das war eine sehr schwere Zeit. Geholfen hat mir, dass ich mich auch in dieser ­Familie mit den Kindern verbinden konnte, vor allem mit dem Jüngsten. Die Kleinen strecken die Hände nach dir aus, da geht die Zuneigung viel schneller als bei den ­Erwachsenen. Und Kinder sind eindeutiger in ihren Gefühlen.

chrismon-Umfrage: Warum Geschwister den Kontakt abbrechen

Eva und Philipp sind noch enger zusammengerückt, als ich weg war, klar. Wir haben uns erst zehn Jahre später ­wiedergesehen. Als Erwachsene. Wir haben uns schnell wieder angenähert; wenn man in der Kindheit so eng war, hält das ein Leben lang. Eva hat mich oft in Freiburg besucht, wo ich mit meinem Mann und unseren beiden Kindern lebte, wir waren dann etliche Jahre im Ausland, mittlerweile ist meine Ehe geschieden, mein Sohn ist 23, meine Tochter 16. Eva ist die Patin meiner Tochter, die ­beiden unternehmen viel zusammen, und auch sie sind eng miteinander. Philipp sehe ich nicht oft, aber wir ­telefonieren. Wenn ich seine Stimme höre, fühle ich mich sofort zu Hause.

Die Adoption, die Brüche in meinem Leben – manchmal ist es nicht einfach für mich. Ich musste mich ­immer unterordnen, war nie die Nummer eins. Als Kind war ich manchmal eifersüchtig auf Eva und Philipp, weil die so selbstverständlich dazugehörten. Aber diese negativen ­Gedanken bringen nichts. Ich schaue lieber auf das ­Positive: dass ich zum Beispiel gut darin bin, Menschen zusammenzubringen und Gemeinschaft zu stiften. Und natürlich, dass wir Geschwister nach wie vor miteinander verbunden sind.

Habe ich erwähnt, dass Eva, Philipp und Evas Mann das Poptrio "Hundreds" sind? Wenn die Eva da so auf der großen Bühne steht und singt, zum Beispiel vor zwei ­Jahren in der Elbphilharmonie in Hamburg, dann laufen mir Freudentränen über die Wangen, und ich bin stolz und denke: "Dieses kleine Mädchen, unglaublich!"

Aber ich freue mich auch, dass es in dieser Geschichte hier mal um mich geht.

Protokoll: Claudia Keller

Die schönen Momente gab es als Erwachsene

Im gräflichen Haus Plessen gab es eine Kinderschwester, die Eltern hielten Distanz. Das hat auch die Beziehung von Elisabeth Plessen und ihren Geschwistern belastet

Elisabeth Plessen, 77, wuchs mit drei jüngeren Schwestern und einem älteren Bruder in einer Adelsfamilie auf einem großen Gutshof auf. Ihr Buch "Mitteilung an den Adel", erschienen 1976, führte zum Bruch mit der Familie. Die strenge Erziehung und der Druck belasteten auch das Verhältnis der Geschwister.

chrismon: Sie sagen, Sie wären früher gern Sohn ­gewesen. Warum?

Elisabeth Plessen: Weil ich in diesen patriarchalischen Strukturen aufwuchs. Den Jungen stand zwar auch nur bedingt alles offen. Dem Ältesten nicht so viel, wenn er den Besitz übernahm. Aber ich kannte Söhne, die sich geweigert haben. Dann übernahm ein Jüngerer und der ­Älteste lebte sein freies Leben. Ich erinnere mich, als ­wieder eine Tochter geboren wurde. Als der Diener die Nachricht brachte, saß mein Vater gerade auf dem Pferd. Er vollführte im Sattel einen Veitstanz vor Ärger.

Haben die Geschwister den Unterschied zwischen Sohn und Tochter im Alltag gespürt?

Wir haben mitgelitten, wenn an meinem Bruder herum­erzogen oder er ausgeschimpft wurde. Er hat den An­sprüchen der Mutter nie genügt. Es ging um Lappalien: Dass er die falsche Krawatte ausgesucht hatte und solche Sachen. Uns Mädchen wies sie nicht zurecht, wir kamen für vieles sowieso nicht in Betracht.

Sie haben oft von der Distanziertheit Ihrer Eltern erzählt.

Man hatte Kinderschwestern. Unsere war eine Glucke, prügelte aber auch ziemlich. Zumeist sah ich meine Mutter erst, wenn sie ans Bett kam, um gute Nacht zu sagen – mein Vater kam nie. Körperlichen Kontakt gab’s nicht. Ich habe ihr die Hand küssen müssen. Das war’s.

Was machte diese Atmosphäre mit den Kindern?

In jungen Jahren haben wir enger zusammengehalten. Auch für die Jüngste. Als auch sie aufs Internat sollte und sich weigerte, haben wir geholfen und das verhindert. Gegen­über unserer Mutter haben wir ganz unter­schiedliche Empfindungen entwickelt. Ich fühlte außer Abwehr gar nichts, eine andere Aggressionen. Die Jüngste kam fast 14 Jahre nach mir. Sie hatte ein anderes Ver­hältnis zur Mutter. Enger, offener. In der Zwischenzeit hatte sich die Gesellschaft verändert – und auch die ­Eltern.

Sie haben mal gesagt, dass dieser Erziehungsstil ­Konkurrenz ausgelöst hat.

Ja. Der Druck von oben war ein Leistungsdruck. Ein ­Beispiel: Als ich zehn bis zwölf Jahre war, ­unterrichtete ein Hauslehrer meinen Bruder und mich zusammen. Es gab ein Punktesystem: Wenn man am Freitagabend, ich ­glaube, es waren 36, Punkte hatte, dann bekam man am Samstag frei. Leider Gottes hatte ich als Jüngere, als ­Mädchen, diese 36 Punkte, mein Bruder nicht.

Das hat Missgunst zwischen Ihnen gesät?

Mit meinem Bruder führte das in eine Entfremdung. Ich habe ihn durch die Internate aus den Augen verloren. Die Meinungsverschiedenheiten wurden immer größer. Jetzt ist es wohl nicht umzukehren. Ich kann mich auch an Streitigkeiten besonders mit einer Schwester erinnern, die sehr mit mir im Konkurrenzkampf stand. Aber entweder sie schaffte es, zu einer Wendung zu finden, oder ich. Zu meinen Schwestern habe ich guten Kontakt. Die Jüngste war immer mein Liebling und ist es noch.

Was bedeuten Ihnen Ihre Geschwister?

Ich bin froh, dass ich sie habe. Ich kann mir mich als Einzelkind nicht vorstellen. Auch in den Internaten fühlte ich mich entsetzlich einsam, bis zum Versuch, mich umzubringen. Helfen konnten sie mir da nicht. Vielfach konnte eher ich als Ältere helfen, weil ich den Kram schon durchgemacht hatte.

"Je älter man wird, desto mehr sieht man die positiven Seiten oder die Schwächen einer Person"

Erinnern Sie sich an schöne Geschwistermomente?

Die hatten wir erst im späteren Erwachsenenalter. ­Meine jüngste Schwester hat sich rührend um die Mutter ge­kümmert. Als es schwieriger wurde, stand ich ihr bei. Einmal, als ich krank und am Ende war, hat sie es erkannt und gesagt: "Du hast mir so viel geholfen, jetzt helfe ich dir." Seitdem unterstützen wir einander mit allem. Das ist toll.

Wie haben Sie den Faden wieder aufgenommen?

Je älter man wird, desto mehr sieht man die positiven ­Seiten oder die Schwächen einer Person. Wenn ich merke, dass jemand in diesem und jenem Punkt nicht über seinen Schatten springen kann, nehme ich das zur Kenntnis und bin nicht gekränkt. Der erste Schritt ist schon getan, wenn man sich überwunden hat, diesen Quark, der hohen Blutdruck verursacht, hinter sich zu lassen.

Zu Ihrem Bruder ist der Kontakt abgerissen. Wie ist das, zu wissen, dass man sich eigentlich vertragen müsste?

Da ist eine große Traurigkeit und oft denkt man: Warum hat das so kommen müssen? Zum Glück hatte ich immer Personen an meiner Seite, die mir geholfen haben. Zum Beispiel die Internatsleiterin, die wieder den Lebenswillen in mir geweckt hat.

Man muss sich auch trauen, nach diesen Menschen zu greifen.

Ja. Insofern sind Wahlverwandtschaften für mich wichtiger, glaube ich. Da können Tote aufgenommen werden, Uralte oder Jüngere. Menschen, die ich bewundere. Das ist meine Fantasiefamilie.

Interview: Sabine Oberpriller

Ganz ­entspannt im Patchwork

Und wenn wir alle zusammenziehen? Noel, Lennard, Zoe und Leon (v. l. n. r.) verstehen sich gut, nicht nur beim Zocken

Seit knapp acht Jahren kennen sie sich, seit drei Jahren verbringen sie jedes Wochenende zusammen – jetzt ist es so weit: Noel, Zoe und ihre ­Mutter Melanie ziehen zu den Zwillingen Leon und Lennard und deren Vater Dennis. Wie geht es den Patchworkgeschwistern?

Noel, 16: Das gemeinsame Essen ist eine schöne neue Gewohnheit. Wir sitzen schon zum Frühstück zusammen. Dennis möchte das gern. Meiner Mutter war das früher nicht so wichtig, jeder hat allein gegessen. Sie hat uns ­machen lassen, was wir wollen. Das ist auch gut. Aber dabei fehlt das Zusammensein. Auch die Spieleabende sind neu und ziemlich lustig mit "Mensch ärgere Dich nicht" oder Kartenspielen wie "Mau-Mau". Hier ist man gleich zu sechst, da macht es mehr Spaß, und es gibt mehr Themen, über die man reden kann. Ich hoffe, dass das so bleibt und wir nicht das Interesse aneinander verlieren.

Zoe, 14: Ich erinnere mich, dass es anfangs ein komisches Gefühl war. Mit Lennard bin ich auch öfter aneinandergeraten. Unser Humor war zu unterschiedlich. Aber irgendwann war es plötzlich gut. Leon und Lennard sind für mich richtige Brüder geworden und ich bin froh, dass Dennis ­immer für mich da ist. Ich habe gesehen, dass meine Mutter glücklich ist mit der neuen Familie – weil sie geliebt wird. Wir haben zusammen Spaß und schöne Erinnerungen: an Urlaube auf unserer "Familieninsel" Norderney, wenn wir Weihnachten feiern – wir haben ein neues gemeinsames Ritual, ein Würfelspiel. Je nach der Zahl, die man würfelt, muss man etwas singen, was Nettes sagen oder so, oder man darf auspacken. Oder auch wenn wir einfach gemeinsam im Garten sitzen. Dann genieße ich das Gefühl, dass ich eine Familie habe, dass wir zusammenhalten.

"Früher hat jeder allein gegessen. Jetzt sitzen wir schon zum Frühstück zusammen"

Leon, 16: Die Scheidung meiner Eltern war für mich sehr emotional und traurig. Als Kind will man ja immer, dass die Eltern zusammenbleiben. Wenn sie neue Partner haben, geht diese Chance gegen null. Damit musste ich erst mal klarkommen. Lennard und ich haben anfangs bei unserer Mutter gewohnt. 2016 ist er zu Papa gezogen, ich vor einem Jahr dann auch. Mir fällt manchmal auf, dass Melanie zu ihren eigenen Kindern etwas strenger ist. Ich glaube, das ist normal. Wobei: Der Unterschied ist nicht groß. Wenn es drauf ankommt, schreitet mein Vater ein. Zwischen uns Kindern war der Umgang der Eltern mit uns nie Thema.

Lennard, 16: Ich hatte nie das Gefühl, dass ich auf der Strecke bleibe oder im Nachteil bin. Im Gegenteil: Mit Zoe und Noel sind wir mehr Kinder. Dann unternimmt man auch mehr. Natürlich haben wir Jungs mehr gemeinsam, wir sind gleich alt und zocken gern. Aber auch mit Zoe vertrage ich mich gut und helfe ihr manchmal in Mathe. Mein Vater ist jetzt glücklicher als vorher, alles ist entspannter geworden.

Sabine Oberpriller

Zwei Frauen in zwei Häusern

Sylvia, Einzelkind, hat ihre Mutter Hedwig aus dem Heim geholt. Es fühlte sich nicht richtig an. Die beiden leben in Verl, einer Kleinstadt nahe Bielefeld

Eines Tages verirrte sich die Mutter zur Haustür der Nachbarin, versuchte verzweifelt aufzuschließen. Sylvia Ottofrickenstein war gerade im Unterricht – sie ist Lehrerin. Sie ließ alles stehen und fuhr hin. Die Mutter: elend und verwirrt. "Da wusste ich, dass ich die Augen nicht länger verschließen darf", sagt Ottofrickenstein. Am selben Tag gingen sie zum Arzt. Er vermutete, was der Neurologe bestätigte: Demenz.

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Dieser Tag im Herbst 2016 änderte den Alltag der beiden. Vor allem den von Sylvia Ottofrickenstein. Sie hatte einen Vollzeitjob, ist nicht liiert. Keine Kinder. Keine Geschwister. Nur sie und die 82-jährige Mutter sind noch da. Knapp fünf Jahre später sind die beiden zu Fuß unterwegs. Sie gehen untergehakt, beide blassblond, die eine aufrecht, die andere leicht gebeugt. Die Bewegung, glaubt Sylvia Ottofrickenstein, tut der Mutter gut. Sie ­gehen morgens eine halbe Stunde vom Haus der Mutter zur ­Tagespflege, am Nachmittag von der Pflege zum Haus der Tochter, abends wieder zum Haus der Mutter.

"Es ist ruhiger geworden. Meine Mutter sieht alles, gerade das Kleine"

Die 53-Jährige hat auf Teilzeit reduziert, taktet das Leben rund um die Mutter. "Es ist ruhiger geworden", sagt sie, vermerkt erst mal nur Positives. Dass es schön sei, für jemanden zu sorgen. "Ohne sie hätte ich mir nie Teilzeit gegönnt", sagt sie. "Ich habe vor Arbeit manchmal nicht gemerkt, wenn Frühling geworden ist. Das zeigt mir meine Mutter. Sie sieht alles, gerade das Kleine."

Mit friedlichem Gesicht schlurft die Mutter neben Sylvia Ottofrickenstein her, während die ihr gut gelaunt zuredet, scherzt, fordert: "Wo müssen wir als Nächstes lang?" – "Na da, oder?", antwortet sie mit leiser Stimme, wie jemand, der gewohnt ist zu überspielen, was er nicht sicher weiß. – "Du meinst da links?" – "Ja." – "Ach Quatsch, da ist ja rechts. Hast du eine dusselige Tochter?" – "Nein." Sylvia lacht, die Mutter fällt ein. Sagt oh, wenn sie einen Spatz sieht, strahlt, wenn sie Kindern begegnen, zeigt auf einen blühenden Busch: "Schön rot."

Diese Momente bestärken Ottofrickenstein im Gefühl, dass sie das Richtige tut. Es sind die existenziellen Entscheidungen, die sie an ihre Grenzen bringen. Damals sagte ihr Umfeld: Allein pflegen geht nicht. Sie gab die Mutter ins Heim. Das schlechte Gefühl wuchs. Nicht, weil es der Mutter nicht gut ging. "Es war einfach nicht richtig", sagt Ottofrickenstein. Dann das Hadern. Die Peinlichkeit, den Vertrag mit dem Heim aufzulösen, wieder bei der ­Tagespflege anzufragen. "In solchen Situationen hätte ich gern Geschwister gehabt", sagt sie. "Die mitentscheiden, mich bestärken oder beschwichtigen."

Andere Kraftproben sind die spontanen Situationen. Als sie kurzfristig beim mündlichen Abi eingesetzt wurde, konnte sie keinen ihrer Freunde erreichen, die manchmal aushelfen, und hatte eine schlaflose Nacht. Die ­Tagespflege deckt nicht alle Zeiten ab. "Ich ver­stehe jetzt Alleinerziehende besser", sagt sie, und: "Es funktioniert, weil Mutter ruhig ist." Es bleibt: die Angst vor dem Anruf mit der Mitteilung, dass es nicht mehr geht, dass die Mutter Rundum­pflege braucht. Was ist dann mit ihrem Job?

Das Häuschen von Sylvia Ottofrickenstein ist sparsam möbliert: ein halb volles Bücherregal, eine Vase mit Rosen. Die Tochter manövriert die Mutter in einen Stuhl vor dem Fernseher, wo sie brav sitzen bleibt. Die Nachmittage verbringen sie hier. Seit knapp fünf Jahren aber hat die 53-­Jährige nicht mehr in ihrem Haus geschlafen. Trotzdem behält sie es. "Die kleinen Tagträume vom Danach", sagt sie. Die braucht sie. Die Lebenszeit der Mutter ist auch ihre Lebenszeit. Dass sie Einzelkind ist, hilft ihr, den Traum aufrechtzuerhalten. Als Vormund verwaltet sie die Konten der Mutter. "Ich betrachte unser Vermögen als gemeinsames Ganzes", sagt sie und setzt es so ein, wie es ihnen am besten nutzt. Das ist, was sie bei Nachfragen betont: dass sie sich als Einzelkind und auch mit ihrem Job privilegiert weiß. Dass sie froh ist, nicht auf Geschwister Rücksicht nehmen zu müssen. Dass sie ihre Vorstellung durchziehen kann.

Und plötzlich war sie die Mittlere: Suche nach der toten Drillingsschwester. Lesen Sie hier weiter.

Später machen sie den Abwasch. Weil die ­Mutter das noch kann: Geschirr trocknen. Bedächtig reibt sie das Besteck. Nebenbei: Gehirntraining mit Spielkarten für Demente. Es gilt, Sprichwörter oder Liedtexte zu vervollständigen. Die Lieder gefallen der ­Mutter besonders. Sobald sie die Melodie erkennt, ­schmettert sie los: "Wenn die Elisabeth – nicht so schöne Beine hätt’." Beim Einsortieren des Bestecks verstummt sie – die ­Aufgabe ist für sie fast unlösbar. Aber Sylvia ­Ottofrickenstein beharrt auf der Übung. Und die Mutter lässt ebenfalls nicht locker. "Wenn die Elisabeth . . .", entfährt es ihr wieder, sie schaut ihre Tochter erwartungsvoll an. Die lacht: "Mama, du hast einen Ohrwurm."

Wie herzlich die Tochter die Mutter anspricht, ihren Gedankengängen folgt, hinnimmt, dass die Antworten oft falsch sind – und dass die Mutter sie nicht erkennt. Sylvia Ottofrickenstein wird als Letzte ihrer Familie übrig bleiben. Es scheint sie nicht zu kümmern. Sie sei immer gern allein gewesen. Und sie habe gute, enge Freunde. Den Lösungsprozess von der gesunden, starken Mutter, das Leugnen, die Scham, das hat sie hinter sich. Jetzt geht sie offensiv mit dem Thema um, setzt sich bei der Stadt für ein besseres Pflegekonzept ein.

Sylvia Ottofrickenstein verrammelt das Haus, kleidet sich und die Mutter an. Sie haken einander unter, ziehen wieder los. Vorbei an Familien, die ihnen zuwinken. Vorbei an Spatzen und Amseln, Kindern und Blumen. Im Haus der Eltern öffnet die Tochter die Jalousien für die letzten Lichtstrahlen, die Küche duftet nach vielen ­Jahren ­Familienessen. Später wird sie die Mutter zu Bett ­bringen. Oft, erzählt sie, schneiden sie vor dem ­Einschlafen ­Grimassen, bis sie lachen müssen. Dann kommt eine neue Nacht. Ein neuer Tag.

Sabine Oberpriller

Die Welt durch deine Augen

Timo hat Trisomie 21. Er wohnt um die Ecke und versorgt sich selbst. Gina war sicher, dass er das kann

Gina Hampel hat schon als kleines Mädchen auf ihren großen Bruder Timo aufgepasst. Er hat Trisomie 21 und brauchte immer ein bisschen mehr als sie. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Fürsorge. Vor zwei Jahren ist er von zu Hause ausgezogen. Und Gina musste loslassen.

Als Gina mit vier Jahren Fahrradfahren lernt, weiß sie, dass sie das zu Hause nicht zu laut erzählen sollte. Ihr älterer Bruder Timo kann noch nicht Rad fahren. Das ist nicht schlimm, aber Gina will nicht, dass Timo traurig ist.
Die Mutter hatte immer gesagt: Timo sieht die Welt mit anderen Augen, darauf müssen wir Rücksicht ­nehmen. ­Gina lernte da zum ersten Mal, die Große zu sein. Mit dem, was dazugehört ­– sich selbst zurücknehmen und den ­anderen beschützen.

"Manchmal habe ich mich schon zurückgesetzt gefühlt"

Was sie damals noch nicht weiß: Warum der Bruder anders tickt als sie. Durch Entwicklungshemmungen fällt ihm manches schwerer. Rad fahren zum Beispiel.
Als er seine neugeborene Schwester das erste Mal im Krankenhaus sah, hat er ihr einen Schnuller in die Wiege geworfen. "Und dann hab ich ganz laut ‚Mein Baby!‘ gerufen", erzählt Timo heute. Von da an bewachte er seine schlafende Schwester. Es ist eine dieser Geschichten, an die man sich nicht selbst erinnert, die aber oft im Kreis der Familie erzählt werden.

Gina lernte schon als Kleinkind, sich selbst nicht in den Mittelpunkt zu stellen, Verantwortung für Timo zu übernehmen. Heute sind Gina und Timo Hampel 21 und 25. Gina beginnt Sätze mit "in diesem Sinne" oder "gemessen an". Vieles war auf ihren Bruder ausgerichtet, die Aufmerksamkeit der Eltern, die Sorge, der Stolz. "Manchmal habe ich mich schon zurückgesetzt gefühlt, ja", sagt Gina. "Mich hat nie jemand nach meiner Perspektive gefragt", sagt sie. Streit hatte sie deswegen nur mit ihrer Mutter, mit Timo nicht. Auf ihn konnte sie nie böse sein.

Die beiden Geschwister sitzen am Esstisch und lachen, auch die Mutter nickt immer wieder, ­während Timo erzählt; hier und da ergänzt sie die Geschichte mit ­ihren Erinnerungen oder wiederholt ein Wort, das Timo unverständlich über die Lippen kommt.

"Gina fehlt mir. Aber ­allein sein ist auch schön"

Timo wohnt heute allein, drei ­Minuten zu Fuß entfernt. Das war für ihn leicht, aber Gina musste lernen loszulassen. Sie hatte ­keine Angst, dass Timo etwas nicht kann, sie hatte Angst, dass ihn andere ­Leute behindern. "Menschen ­haben so viele Vorurteile und unter­schätzen ihn", sagt sie. Und vertraute Kleinigkeiten fehlten ihr: Timo vor dem Schlafengehen "Gute Nacht!" zuzurufen zum Beispiel.

Eine Sache ist allerdings gar nicht so schlecht seit Timos Auszug. "Beim Abendessen dreht es sich jetzt manchmal nur um mich", sagt Gina, die noch zu Hause wohnt, und grinst scheu.

Von ihrem ­Zimmer aus kann sie zwischen Bäumen und Häusern hindurch zum Fenster ihres ­Bruders schauen. Sie besucht ihn oft. Geht man das knarzige Altbautreppenhaus nach oben, landet man vor einer blauen Tür. Stolz führt er durch jeden Raum: "Mein Bett, mein Schrank, meine Küche, ich koche auch, meine Waschmaschine, ich wasche allein", seine Augen prüfen, ob das Gegenüber versteht: Hier zeigt ein ­erwachsener Mann seine eigene Wohnung. Was ihm am besten gefällt? "Die Freiheit", sagt er. Ob ihm sein altes Zuhause fehlt? "Nööö", sagt er laut. Und dann schiebt er schnell hinterher: "Doch. Gina fehlt mir. Aber ­allein sein ist auch schön." Demnächst bekommt er einen Mitbewohner.

Kinder mit Downsyndrom: Was die Diagnose mit der Familie macht

An seinem Küchentisch erzählt Timo von seinen Hobbys. Jeden Freitag spielt er Tennis mit ­Gina. Er ist auch selbst Trainer im Verein. Er schaut gern Super­heldenfilme von Marvel, natürlich auch mit Gina. Sein Lieblingssuperheld: "Cap­tain America, der mit dem ­großen Schild. Der Beschützer." Manchmal beschützt ­Timo auch Gina: Als Ginas erster Freund mit ihr Schluss gemacht hatte, hat auch Timo den Kontakt zu dem Jungen abgebrochen. Wer seine Schwester verletzt, braucht sich nicht mehr bei ihm blicken lassen.

Von Gina hat Timo gelernt, an sich zu glauben. Wenn jemand sagt, Timo könne etwas nicht, macht sie ihm Mut. So wie damals auf einer Jugendfreizeit. Timo wollte Bockspringen. Die Betreuerin sagte: "Das ist zu schwer für dich." Gina widersprach. "Du schaffst das, hab keine Angst." Und Timo schaffte es. "Wenn mein Bruder etwas möchte, soll er das auch probieren", so denkt sie bis heute. "Er kriegt es hin, U-Bahn zu fahren, da muss keine Be­gleitung mit!" Und Gina hat gelernt, ihren Bruder nicht zu bevormunden, sondern ihn zu unterstützen. Sie ist geduldig und liebevoll. Manchmal, wenn er erzählt, nickt sie ihm auffordernd zu. Noch mal, du kannst das allein, sagt dieses Nicken.

"Gina hat Abitur, ich bin ganz stolz auf sie", sagt ­Timo plötzlich. Sein Zeigefinger schnellt in die Luft: "Und den Führerschein auch." Gina lächelt beschämt. Mit dem ­Führerschein war es ein bisschen wie mit dem Fahrrad­fahren. Nur dass Timo hier von Gesetzen aufgehalten wurde. Menschen mit Trisomie 21 dürfen keinen Führerschein machen. Gemeinsam mit ihrer Mutter wollen sie dafür kämpfen, dass sich das ändert. Doch jetzt besucht er erst mal Kurse an der Uni Hamburg, wo Studenten und Professoren ihm beim Lernen helfen; das Ziel ist der Hauptschulabschluss. "Wenn ich meinen Abschluss habe, dann mache ich auch den Führerschein", sagt Timo. ­Gina studiert nun Geophysik. "In den Naturwissenschaften lernt man, die Welt anders zu sehen", sagt sie.

Sara Tomšić

Dieser Text erschien zuerst am 26. August 2021.

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Sehr geehrte Damen und Herren!
Über meine Tageszeitung erhalte ich Ihr Magazin. Leider lässt sich eine kritische Bemerkung zu den Geschwisterartikeln nicht vermeiden.
Ließ sich in ganz Westdeutschland (Ostdeutschland kommt in Ihrer Zeitung ja praktisch nicht vor !) tatsächlich keine Familie finden , in der keine Scheidung, kein Adoptivkind aus Indien, kein Trisomie-Kind, keine Patchwork-Familie oder eine Alte Adelsfamilie eine Rolle spielen? Als Leser fragt man sich dann schon, ob die „normale“ Familie, die es ja noch immer viel häufiger gibt und in der natürlich auch Geschwisterkonflikte vorkommen , einfach für Ihre Redaktion zu langweilig ist.
Vielleicht würde es helfen, wenn man mal sich ein wenig unter dem einfachen Volk umschauen würde und nicht immer das Spektakuläre suchen würde.
Ähnliches gilt für die jetzt Kuchen backende ehemalige Prostituierte. Was wollen Sie mir damit sagen????
Mit freundlichen Grüßen!
Dr. Herrmann