Alles, was die Adventszeit in Deutschland prägt, vermissen viele Ausgewanderte in Indien: Weihnachtsmärkte, Glühwein, Adventskränze oder auch echte Tannen. Für indische Christen ist die Adventszeit mehr eine Zeit des Fastens und der Buße als der erwartungsvollen Freude wie bei uns. Jedoch lassen es sich die deutschsprachigen Christen in Städten wie im südindischen Bangalore und anderen Orten im Land nicht nehmen, ihre Wohnungen zu schmücken und Plätzchen zu backen.
Diese Gläubigen, die gerade einmal 2,3 Prozent der indischen Bevölkerung ausmachen, haben dafür Rituale entwickelt, um auf ihre Festzeit aufmerksam zu machen: Überall an ihren Häusern, Kirchen und Schulen bringen sie beleuchtete bunte Sterne aus Papier oder Stoff an – die Sterne erinnern an den wegweisenden Stern von Bethlehem.
Baby Jesus in der Krippe besuchen
Zwei oder drei Tage vor Weihnachten werden vor und in den Kirchen, aber auch vor Schulen und Privathäusern temporäre Hütten errichtet für Krippen, was bei dem schönen Wetter kein Problem ist. Warum? Weil viele Inder, die nicht zum Christentum gehören, Baby Jesus besuchen wollen – genau wie einst die Schafhirten und die drei Weisen, die sich geleitet vom Stern auf den Weg gemacht haben.
Gudrun Löwner
Und um allen Menschen unabhängig von der Religionszugehörigkeit den Zugang zu Jesus zu ermöglichen, gibt es überall, auch bei den Ärmeren, aus privaten Initiativen errichtete Krippen. Jesus und Maria sind überall bekannt – im Islam ist Maria die einzige Frau, die mit Namen im Koran benannt wird. Sogar eine eigene Sure hat sie. Im Hinduismus mit seinen unzählbaren Göttern und Göttinnen haben viele Gläubige kein Problem, zusätzlich Jesus und Maria zu verehren.
Und den christlichen Gott besuchen die Menschen natürlich nicht irgendwann, sondern zu Weihnachten. Zur glückverheißenden Zeit, wo er besonders viel Wirkkraft hat – denn in Indien hat alles seine Zeit.
Indische Gemeinden teilen ihre Freude über die Geburt Jesu mit allen Menschen, indem sie Gemeindemitglieder besuchen und Weihnachtslieder singen. Und während sie draußen vor der Tür singen, öffnen sich die Türen und Fenster der Nachbarn, die gebannt der gesungenen Botschaft lauschen: Christus ist geboren. Gerne nehmen die Sänger eine Spende oder eine Stärkung für ihren Gesang an. Ein Weihnachtsfest, bereichernd durch christlich-indische Tradition.