Natalie F., aus Stuttgart fragt:
"Mein Freund und ich heiraten standesamtlich. Wir dürfen coronabedingt insgesamt nur zehn Personen sein, bei meinem Freund war schnell klar, wer uns von seiner Seite begleitet. Ich aber komme aus einer Patchworkfamilie, am liebsten hätte ich meinen Vater, meine Mutter und ihren neuen Mann dabei – und meine Stiefschwester. Nun ist mein Bruder beleidigt. So nach dem Motto ‚Blut ist dicker als Wasser‘. Aber es ist doch meine Hochzeit. Kann ich das nicht so bestimmen?"
Stefanie Schardien antwortet:
Corona schränkt ein – auch wichtige Lebensereignisse wie Trauungen oder Beerdigungen. Das stresst so manche Beziehung. Viele Leute gehen gnädig und wohlwollend miteinander um. Denn schließlich dürfte allen klar sein: Sie laden ja nicht auf eigenen Wunsch nur so wenige Menschen zu Ihrer standesamtlichen Trauung ein. Und vermutlich gibt es auch im Anschluss ein kleines Fest für mehr Gäste. Trotzdem kämpfen manche, wie Ihr Bruder, mit persönlichen Enttäuschungen und vermeintlichen Konventionen. Es wird wenig hilfreich sein, sich mit ihm auf die Schiene "Wen mag ich lieber?" zu begeben.
Stefanie Schardien
Vielleicht gehen Sie auf seine "Blut ist dicker als Wasser"-Argumentation ein: Gerade als netter Bruder könnte er sie in Ihrer Zwickmühle entlasten, anstatt Ihnen noch mehr Gewissensbisse wegen einer eigentlich für Sie unmöglichen Auswahl zu machen. Vielleicht lässt sich die Situation auch durch eine realistische Einschätzung des standesamtlichen Geschehens herunterkochen: Als Pfarrerin erzählen mir viele Paare, dass das Standesamt wichtig, aber im Unterschied zur Kirche überschaubar emotional berührend ist. Vielleicht wäre eine kirchliche Trauung eine Option? Mit ausreichend Platz. Und willige Brüder dürfen im Gottesdienst sogar mitwirken.