Andererseits - Trauung ohne den Bruder?
Andererseits - Trauung ohne den Bruder?
Kati Szilagyi
Trauung ohne den Bruder?
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.

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25.11.2020

Natalie F., aus Stuttgart fragt:
"Mein Freund und ich heiraten standesamtlich. Wir dürfen corona­bedingt insgesamt nur zehn Personen sein, bei meinem Freund war schnell klar, wer uns von seiner Seite begleitet. Ich aber komme aus einer Patchworkfamilie, am liebsten hätte ich meinen Vater, meine Mutter und ihren neuen Mann dabei – und meine Stiefschwester. Nun ist mein Bruder beleidigt. So nach dem Motto ‚Blut ist dicker als Wasser‘.  Aber es ist doch meine Hochzeit. Kann ich das nicht so bestimmen?" 

 

Stefanie Schardien antwortet:

Corona schränkt ein – auch wichtige Lebensereignisse wie Trauungen oder Beerdigungen. Das stresst so manche Beziehung. Viele Leute gehen gnädig und wohlwollend miteinander um. Denn schließlich dürfte allen klar sein: Sie laden ja nicht auf eigenen Wunsch nur so wenige Menschen zu Ihrer standes­amtlichen Trauung ein. Und vermutlich gibt es auch im Anschluss ein kleines Fest für mehr Gäste. Trotzdem kämpfen manche, wie Ihr Bruder, mit persönlichen Enttäuschungen und vermeintlichen Konventionen. Es wird wenig hilfreich sein, sich mit ihm auf die Schiene "Wen mag ich lieber?" zu begeben.

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Vielleicht gehen Sie auf seine "Blut ist dicker als Wasser"-Argumentation ein: Gerade als netter Bruder könnte er sie in Ihrer Zwickmühle entlasten, anstatt Ihnen noch mehr Ge­wissensbisse wegen einer eigentlich für Sie unmöglichen Auswahl zu machen. Vielleicht lässt sich die Situation auch durch eine realistische Einschätzung des standesamtlichen Geschehens ­herunterkochen: Als Pfarrerin erzählen mir viele Paare, dass das Standesamt wichtig, aber im Unterschied zur Kirche überschaubar emotional berührend ist. Vielleicht wäre eine kirchliche Trauung eine Option? Mit ausreichend Platz. Und willige Brüder dürfen im Gottesdienst sogar mitwirken.

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