Häufig bieten Gefängnisse einen Nährboden für Dschihadismus: Perspektivlose muslimische Straftäter werden von radikalisierten IS-Rückkehrern manipuliert. Damit muss sich die muslimische Gefängnisseelsorge auseinandersetzen.
chrismon: Sie arbeiten seit 2008 in der JVA Wiesbaden. Was hat Sie damals überrascht?
Husamuddin Meyer: Wie viele das Freitagsgebet besuchten. Sie sagten: endlich mal jemand aus unserer Kultur, der uns versteht. Obwohl sie sich als Muslime sehen, besitzen die meisten nur geringe religiöse Kenntnisse. Die religiöse Betreuung haben wir dann ausgebaut zur Seelsorge.
Etwa 40 Prozent der Insassen sind Muslime. Warum ist der Anteil so hoch?
Manche bekommen aufgrund ihrer ausländischen Namen nur Wohnungen in Hochhaussiedlungen, wo sich Kriminalität ballt. Sie fühlen sich ausgegrenzt. In der Schule wird ihnen weniger zugetraut, dadurch haben sie ein geringeres Selbstbewusstsein und kompensieren das mit Gewalt.
Husamuddin Meyer
Eine Studie hat herausgefunden, dass sich jeder dritte europäische Dschihadist in Haft radikalisiert hat. Erstaunt Sie das?
Nein. Im Gefängnis treffen, vereinfacht, zwei Typen Mensch aufeinander: die ideologisch Radikalisierten und die leicht Manipulierbaren, die nichts mehr zu verlieren haben und sich leicht rekrutieren lassen. IS-Rückkehrer erzählen krasse Geschichten und werden wie Helden gefeiert. Sie sagen den anderen, dass sie wegen ihrer Sünden in die Hölle kommen – außer sie wählen den Märtyrertod.
Kann die Seelsorge das verhindern?
Das ist zwar nicht die Absicht der Arbeit, aber ein positiver Nebeneffekt. Gefangene fragten mich: Ist Terrorismus im Islam erlaubt? Ich meinte: Islam ist das Gegenteil von Terror, Islam ist Frieden. Wenn ich nicht da wäre, beantwortet solche Fragen jemand anderes.
Die Beratungsstelle Salafismus ist telefonisch zu erreichen unter 06151/870 95 96