Ich schreibe aus einer luftigen Strohhütte in Sissamba, einem kleinen Dorf im Norden von Burkina Faso. Gerade ist hier das Erzählfestival zu Ende gegangen. Über 40 Erzähler waren dabei, auch einige aus dem Ausland. Tagsüber saßen wir verstreut in kleinen Gruppen unter schattenspendenden Bäumen und lauschten ihren Geschichten: vor allem Fabeln mit starken moralischen Botschaften und auch mystischen Elementen. Viele Menschen hier glauben an Geister, Zauberei oder Magie. Abends bildeten sich riesige Menschentrauben auf dem Dorfplatz. Die Leute kamen aus den umliegenden Dörfern. Sie saßen dicht gedrängt auf Plastikstühlen, die Kinder hockten auf dem warmen Sandboden. In der Mitte des Platzes hatten die Erzähler ihre Bühne, manche machten auch Musik. Viele banden die Zuschauer mit ein, ließen uns klatschen, singen und tanzen.
Pia Stengl
Geschichten erzählen ist ein elementarer Teil der burkinischen Kultur. Jedes Dorf hat seinen eigenen Erzähler, der mit den Geschichten auch die Regeln und Gebräuche des Dorfes an die nächste Generation weitergibt. Viele junge Künstler bemühen sich darum, dass diese Tradition weiterlebt. Einige von ihnen haben das Festival in Sissamba vor 13 Jahren ins Leben gerufen, seitdem findet es einmal im Jahr statt.
Für mich besonders beindruckend: die letzte Nacht. Ich hatte schon geschlafen und wachte auf vom rhythmischen und melancholischen Gesang der Dorffrauen. Schlaftrunken ging ich hinaus. Die Luft war mild und feucht vom Regen am Nachmittag. Schlafende Kinder lagen verstreut am Boden. Die Frauen bewegten sich wie eine wabernde Masse um ein paar Musikantinnen herum, deren Hände im schnellen Rhythmus trommelten. Ich schloss mich ihnen an. Wir tanzten bis zum Morgengrauen.