Was verbirgt sich hinter dem Motto der Fastenaktion "7 Wochen Ohne" in diesem Jahr?
Arnd Brummer: Wir leben in einer Zeit des "Sofortismus". Jede E-Mail, WhatsApp oder SMS soll sofort beantwortet werden. Dieses Denken prägt uns sehr stark, beeinflusst unser Leben aber negativ. "Augenblick mal!", fordert zum Innehalten auf.
Wieso ist Entschleunigung wichtig für unsere Gesellschaft?
Brummer: Neben dem Stressfaktor hat es auch mit Sicherheit zu tun. Ich fuhr vor kurzem auf der Autobahn und überholte einen LKW. Der scherte plötzlich aus und hätte mich um ein Haar erwischt. Als ich an ihm vorbeigefahren war, sah ich einen Menschen, der zwischen Ohr und Schulter ein Telefon eingeklemmt und auf dem Lenkrad ein Tablet liegen hatte. Da kann man sagen: "Augenblick Mal, wenn du unbedingt etwas mitteilen musst, dann warte besser bis zum nächsten Parkplatz."
Bei "7 Wochen Ohne" geht es in erster Linie nicht um den Genussmittelverzicht, sondern vor allem um das Fasten im Kopf.
Brummer: Der Reformator Ulrich Zwingli sagte, die Fastenzeit beziehe sich auf die 40 Tage, die Jesus in der Wüste verbracht hat. Dass er in der Zeit wenig gegessen hat, lag daran, dass es dort wenig gab. Sein Vorsatz war ein anderer: Er wollte in Ruhe nachdenken und sich des Auftrags seines Vaters bewusst werden. Der Perspektivwechsel und die Ruhe sind das Ziel unserer Fastenaktion. Wir wollen diese Zeit nutzen, um innezuhalten und zu überlegen: Was läuft in unserem Leben wie?
Den Fastenkalender zieren auch schöne Fotos. Auf einem davon ist ein Zweig mit zwei Äpfeln zu sehen und daneben steht: "Hetz mal den Apfel reif!"
Brummer: In der Natur gilt eben der Satz: "Alles hat seine Zeit". Das muss man akzeptieren. Ob es nun um die menschliche Schwangerschaft oder das Reifen von Weintrauben, Äpfeln und anderem Obst geht.
Welche kurzen Texte finden sich noch im Kalender?
Brummer: Es sind Hinweise aus der Bibel, die Ruhe zu bewahren. Bereits in der Genesis ruhte Gott am siebten Tag, nachdem er die Erde erschaffen hatte. Damit fängt es an und zieht sich durch die gesamten Schriften. Überall in den Evangelien gibt es Hinweise, dass die Ungeduld und das Drängen schlecht für uns sind.
Im Fastenkalender stehen aber nicht nur Bibelsprüche.
Brummer: Es handelt sich um Material von Literaten, Lyrikern, von Elke Heidenreich oder Kurt Tucholsky. Mit den Sprüchen greifen wir Ansatzpunkte auf, die es in vielen Fastengruppen gibt. Im Gespräch zwischen den Mitgliedern spielen dann auch Anekdoten und Erfahrungen aus dem eigenen Erleben mit hinein.
Wer macht bei der Fastenaktion mit?
Brummer: Es handelt sich keineswegs nur um kirchenverbundene Menschen. Es sind auch viele, die zwar ein entfernteres Verhältnis zur Kirche haben, diesen 7 Wochen aber eine besondere Bedeutung beimessen. Sie nutzen diese Zeit, um in der Familie oder im Freundeskreis miteinander zu reden. Es sind Menschen aus allen Milieus und Altersgruppen, die zum Teil auch untereinander ins Gespräch kommen. Genau das ist der Sinn des christlichen Denkens: Gemeinschaft zu stiften und zwar nicht nur Gemeinschaft der Gleichen, sondern der Unterschiedlichen.
Viele der Teilnehmer fasten nicht alleine, sondern schließen sich zu Fastengruppen zusammen.
Brummer: Auf der Website können sich Fastengruppen, die sich bereits zusammengefunden haben, eintragen. Bereits registrierte Gruppen kann man anhand des Ortes oder Namens suchen. Sobald man jemanden gefunden hat, kann man sich dort melden und fragen, ob man dazukommen kann. Wir wissen, dass diese Funktion gerne genutzt wird und sich die Menschen über Gleichgesinnte in ihrer Nähe freuen.
Sie sprechen von knapp drei Millionen Menschen, die bei "7 Wochen Ohne" mitmachen. Liegt Fasten im Trend?
Brummer: Ob es wirklich ein Trend ist, weiß ich nicht. In unserem hektischen Alltag zeigt sich aber die Sehnsucht nach dem Innehalten. Nach jedem Urlaub nehmen wir uns vor, es von nun an ruhiger angehen zu lassen. Nach der ersten Ladung Wäsche und den ersten 200 E-Mails ist die Routine aber schnell zurück. Deshalb schätzen es die Menschen, wenn sie mit dieser Aktion noch einmal explizit herausgefordert werden. Wieder andere nehmen sich vor, in der Schlange vor der Supermarktkasse die Ruhe zu bewahren. Anstatt genervt auf die Uhr zu sehen, kann man sich auch auf seine Umwelt und Mitmenschen konzentrieren, vielleicht ein Gespräch anfangen und sich sagen: Es muss nicht immer alles sofort gehen.
Wissen Sie schon, wie Sie das "Ohne Sofort" für sich persönlich umsetzen?
Brummer: Ich bin sehr viel auf Autobahnen unterwegs und nutze dabei auch immer mein Navigationsgerät. Ich habe mir vorgenommen, während der Fastenzeit nicht auf die Stauumfahrungsempfehlungen des Computers zu hören, nur um fünf Minuten früher anzukommen. Stattdessen möchte ich versuchen, gemütlich im Stau zu stehen, mir vielleicht ein schönes Hörbuch oder nette Musik mitzunehmen und zu sagen: Soviel Zeit muss jetzt sein. Selbst, wenn man die Staus zu umfahren versucht, kommen auf die Idee auch 10.000 Andere – und dann ist der Stau auf der Landstraße.