Haliz hat gerade den Besen zurückgebracht, das kurdische Mädchen jesidischen Glaubens hat unsere Kirche gefegt. Sie lacht und nimmt mich in den Arm. Sagt Danke. Auch ich sage Danke. Die 14-jährige Haliz ist eins der vielen Kinder, die auf der Flucht irgendwo in Südeuropa gestrandet sind. Ihre Familie kommt aus dem Nordirak. Die Mutter hat es mit zwei Kindern bis nach Deutschland geschafft, Haliz und ihr älterer Bruder blieben in Athen, die genauen Umstände kennen wir nicht. Im April 2016 klingelten die beiden an unserem Gemeindehaus. Haliz war in einem Flüchtlingscamp nahe Athen nicht mehr sicher. Sie selbst sprach kein Wort, weder englisch noch arabisch, weinte und klammerte sich an den Bruder, als er ging.
Wir gaben ihr frische Kleidung und eins unserer Gästezimmer, wie schon anderen Flüchtlingen vor ihr. Stellten sie den anderen Flüchtlingen vor, die bei uns etwas Ruhe und Sicherheit gefunden hatten.
Haliz weinte und schlief, schlief und weinte. Tage-, wochenlang. Langsam freundete sie sich mit der Tochter einer syrischen Familie an, der 14-jährigen Haifa. Als Haifa mit Vater und Bruder im September zur Mutter nach Deutschland reisen durfte, wurde Haliz depressiv. Jugendliche Freiwillige der Gemeinde nahmen Haliz dann mit an den Strand, in ein Musiklokal, zum Deutschunterricht für Flüchtlinge, sie beteiligten sie an Kochabenden und Bastelnachmittagen.
Seit im November aus Deutschland die Nachricht kam, dass Haliz’ Mutter als Flüchtling anerkannt und damit der Weg für die Familienzusammenführung geebnet sei, blüht Haliz regelrecht auf. Wir hören sie singen und lachen. Wir nehmen sie in den Arm, kuscheln und scherzen mit ihr. Sie lernt Deutsch, überaus eifrig. Derzeit liegen ihre Papiere zur Überprüfung auf Echtheit in der deutschen Botschaft in Amman.
Ihre Tage in Athen sind gezählt. „Wie lange noch?“, fragt sie immer wieder. Wir wünschen uns, dass Haliz im Mai ihren Geburtstag in Deutschland feiern kann und für sie dort ein Leben beginnt, das ihr ein wenig von dem zurückgibt, was sie verloren hat.