Dirk von Nayhauß
"Ich weiß nicht, warum wir in allem immer einen Sinn sehen müssen"
Gentleman, der Reggae-Musiker, über das Sinnlose. Und über seine Familie und den Freund, der so früh starb.
Dirk von Nayhauß
Dirk von Nayhauß
07.02.2014

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Im Studio, wenn ich einen Song aufnehme. Das können magische Momente sein. Allen ist plötzlich klar, was musikalisch passieren wird, ohne dass man sich vorher abgesprochen hat. Das gibt es auch im Konzert, wenn die Grenze zerfließt zwischen dem Publikum und den Menschen auf der Bühne, wenn eine Gemeinschaft von Fremden entsteht, die den Moment miteinander teilen. Dieser Gänsehauteffekt ist für mich immer ein Beweis für etwas Göttliches. In diesen Momenten denke ich nicht mehr. Ich bin im Flow.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Ich habe zwei Kinder, mein Sohn ist zwölf, seine Schwester 22 Jahre alt. Höre ich meine Mailbox mit 20 Anrufen ab, sind etwa 18: „Du wolltest doch...“ oder „Kannst du nicht mal...“ Und zwei davon sind: „Hallo Papa, ich wollte mal fragen, wie es dir geht.“ Diese bedingungslose Liebe gibt mir eine unheimliche Kraft. ­Ich bin manchmal zwei Monate am Stück weg, aber ich weiß genau, was im Leben meiner Kinder passiert. Ich kenne ihre Freunde; ich weiß, was in der nächsten Bio-Arbeit vorkommt, auch wenn ich in New York bin.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Eine Vorstellung nicht, aber ich weiß, dass es das Göttliche gibt. Wenn unser Potenzial aufblitzt, denn dann wird mir bewusst, dass wir nur einen ganz kleinen Teil dessen leben, was in uns ist. Natürlich habe ich Zweifel, ich hadere andauernd. Ich muss mir ja nur die Nachrichten ansehen, dann frage ich mich: Warum? Oder: Warum ist mein bester Freund so früh gestorben? Ich war lange fest davon überzeugt, dass jeder das kriegt, was er verdient. Mittlerweile sehe ich, dass das nicht stimmt. Es gibt manche Fragen, auf die wir keine Antwort wissen müssen, wir müssen nicht alles erklären können. Das Wichtigste ist, weiterhin zu ­staunen, wie kleine Kinder. Wenn wir das verlieren, dann ver­lieren wir unseren Glauben an das Göttliche.

Hat das Leben einen Sinn?

Ich weiß gar nicht, warum wir immer in allem einen Sinn sehen müssen. Ich finde manchmal auch das Sinnlose sehr schön. Die Frage nach dem Sinn begrenzt vieles, der Sinn spielt sich immer im Kopf ab. Allein in die Sterne zu gucken und sich bewusst zu machen, was für ein kleiner Furz wir sind! Oder wenn ich unsterblich in jemanden verliebt bin, dann frage ich nicht: Was ist der Sinn, dass ich in diese Frau verliebt bin? Ich glaube, wir fragen nach dem Sinn, wenn wir nicht dankbar sind, wenn es uns nicht gutgeht, wenn wir zweifeln.

Muss man den Tod fürchten?

Ich bin sicher, dass es weitergeht, dass dieses Leben nur eine Etappe ist. Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie es weiter­geht, aber ich glaube, da kommt etwas, auf das wir uns freuen können. So sehr ich das Leben liebe, freue ich mich auch auf den Tod. Vor zwei Jahren ist mein bester Freund gestorben. Mein bester Kumpel, er hatte Krebs. Ihn zu begleiten, war mit die schönste Erfahrung, die ich machen durfte. Die letzten Wochen war ich komplett bei ihm, bis zu seinem letzten Tag. Das war unfassbar intensiv. Wir haben über den Tod gesprochen, wir haben geweint, wir waren ausgelassen – drei Tage vor seinem Tod hatten wir noch einen unfassbaren Lachflash. Als er dann tot war, spürte ich für Wochen und Monate eine ganz merkwürdige Leere. Ich konnte nicht essen, nicht schlafen. Ich hatte das Gefühl, dass ich schwach bin, weil andere Menschen viel krassere Verluste erlitten haben, und die sind irgendwann wieder klargekommen. Bei mir wurde es immer schlimmer. Als ich dann das Lied „Memories“ gemacht habe, ist die Trauer endlich umgeswitcht in Dankbarkeit – dafür, dass dieser Mensch da gewesen ist. Musik ist für mich auch eine Art Therapie. Sie hilft mir, mit mir im Reinen zu sein.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die Liebe meiner Frau Tamika, bei ihr fühle ich mich zu Hause. Ich kann so sein, wie ich bin. Nach 13 Jahren hat es noch immer diese Frische und dieses tiefe Gefühl: Wir werden zusammen alt. Es ist nicht einfach, jemanden zu finden, wo so viel passt. Jemanden, von dem man ein produktives Kontra kriegt. Ich kann schnell einen Rappel kriegen und jähzornig werden. Gerade bei Kleinigkeiten, ich könnte ausrasten, wenn ich etwas nicht finde. Tamika hat dann die Ruhe und hält mir in einer ganz ruhigen Art den Spiegel vor. Sie steht mit beiden Beinen komplett auf dem Boden und strahlt eine unglaubliche Ruhe und Kraft aus. Sie ist mein Halt.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.