Das ist die erste Kirche, die ich gebaut habe. Ich habe auch noch kein Theater gebaut. Kein Eisstadion, keinen Flughafen, keinen Wolkenkratzer. Letztlich ist es immer wieder eine neue Aufgabe. Wie ein guter Schneider für jemanden einen Maßanzug macht, so entwickle ich als Architekt ein Gebäude.
Es war Zufall, dass ich die Pfarrerin der altkatholischen Kirche in Augsburg kennenlernte. Ich baue gern in Holz, und die Gemeinde wollte eine Kirche in Holz. Ich fuhr mit dem Gemeinderat auf Exkursion in den Vorarlberg, wo es viel fortschrittliche Holzarchitektur gibt. Und ich ging zu Gottesdiensten, um zu spüren, wie die Altkatholiken feiern. Da hat man schon gemerkt: Da ist ein starkes Wir, eine tiefe Verbundenheit von Gleichgesinnten. Das drückt sich auch in der Kommunion aus, wo die Gemeinde einen Kreis bildet und nicht so eine Schlange vor dem Altar, wie ich das aus römisch-katholischen Messen kenne.
Die Gemeinde wünscht sich Bezug zum Himmel
Dann fragte ich: Was braucht ihr als Gemeinde? Wie wollt ihr Kirche erleben? Dazu haben wir Gemeindebautage gemacht, wo die Gemeindemitglieder ganz hierarchielos miteinander nachgedacht und auch entschieden haben. Sie sagten: Wir wollen eine Kirche der Mitte, einen konzentrierten Raum; wir wollen nicht den klassischen Kirchengrundriss mit seiner Hierarchie; und wir wollen ein schönes Licht, wir wollen den Bezug zum Himmel.
Da war für mich klar: Das Licht kommt von oben. Die Entscheidung hat viele Gespräche gebraucht und den Mut der Gemeinde. Jetzt ist die Kirche ein heller Holzraum, in dem kein Fenster den Blick nach außen lenkt. Der neun Meter hohe Raum öffnet sich ausschließlich nach oben, zum Himmel. Die Idee: Die Gemeinde steht mit den Füßen auf dem Boden und blickt mit dem Herzen himmelwärts.
Stadionbauer sind auch keine Fußballer
Ich bin konfessionslos, wenn Konfession bedeutet, einer großen Kirche zugehörig zu sein. Ich glaube an eine metaphysische Kraft. Und an die Zehn Gebote, an die christlichen Werte, sie machen das Miteinander in unserer Gesellschaft aus. Aber mein Glaube hat mit meiner Architektur nichts zu tun. Selbstverständlich hat meine Person mit der Schaffung der Architektur etwas zu tun, aber dann steht die Architektur da, dann gehört sie jemandem, und gut ist es.
Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater war Ende der siebziger Jahre hier in Augsburg auf dem Weg, als römisch-katholischer Theologe eine eigene Professur zu bekommen. Er hatte aber immer eine kritische Haltung zur Kirche, insbesondere zur römisch-katholischen Kirche, wegen der Art, wie bestimmte Dinge dort gemacht wurden. Zum Beispiel wollten meine Eltern meine Schwester und mich nicht im Säuglingsalter taufen lassen, wir sollten das später selber entscheiden dürfen. Daraufhin hat ihm der damalige Bischof die kirchliche Lehrbefugnis verweigert, und meine Mutter durfte nicht mehr als Religionslehrerin arbeiten. Damals war ich zwölf Jahre alt. Mein Vater ist später in Australien Theologieprofessor geworden.
Als das Projekt mit den Altkatholiken begann, war meine Konfessionszugehörigkeit kein Thema. Irgendwann hat mich das immer mehr gedrückt, weil ich überlegte: Was passiert, wenn die hören, dass ich gar nicht christlich organisiert bin? Es war einer dieser Gemeindebautage, wo ein Mitglied der Gemeinde mich fragte: Sind Sie verwandt mit Michael Lattke? Ich sagte: Ja, das ist mein Vater. Das war ein großes Hallo, denn einigen war dieser Vorgang noch bekannt, und manche Altkatholiken haben eine römisch-katholische Vergangenheit. Das war ein schönes Erlebnis für mich.
Ich möchte gern noch weitere Kirchen bauen. Diese Bauaufgabe fasziniert mich. Aber manche Kirchen erwarten, dass man Mitglied einer der großen Konfessionen ist. Da bin ich in einer Zwickmühle. Es wäre heuchlerisch, mich jetzt taufen zu lassen und einer großen Konfession beizutreten, um weitere Kirchen bauen zu dürfen.
Muss jemand, der ein Fußballstadion baut, ein Fußballspieler sein? Muss jemand, der ein Parlamentsgebäude baut, Politiker sein? Ich könnte mir auch vorstellen, eine Moschee zu bauen – muss ich deshalb Muslim sein? Nein, muss ich nicht.
Protokoll: Cynthia Matuszewski