Christen aus aller Welt berichten in E-Mails von ihren Eindrücken. Diesmal: Aus den USA.
11.09.2012

Betreff: Zwangsjacke Obamacare

Gesendet von Andrea Rauch aus den USA

Eine Krankenversicherung für alle? Brauchen wir nicht, sagen mir viele Amerikaner. Auch der 42-jährige Greg, Fernmeldetechniker und seit drei Jahren arbeitslos. Als Angestellter war er über seinen Arbeitgeber versichert, nun hofft er einfach, gesund zu bleiben. Er hat den laufenden Kredit für sein Häuschen abzubezahlen, ist aber optimistisch: Wenn er bald wieder einen Job findet und sonst nichts dazwischenkommt, sprich: keine Krankheit, kein Unfall, dann klappt das schon. Eine private Krankenversicherung ist für ihn zu teuer. Denn die arbeitet profitorientiert wie alle anderen Unternehmen auch, was Greg in Ordnung findet. Er ist stolz und glücklich, in den USA zu leben, im Land der Freiheit. Und dazu gehört eben auch unternehmerische Freiheit.

Seine Mutter jedoch macht sich Sorgen um die Zukunft ihres Sohnes. Aber sie sei immer etwas ängstlicher als andere, fügt sie entschuldigend hinzu, das liege wohl an ihren deutschen Vorfahren. Als Rentnerin ist sie Mitglied der staatlichen Krankenversicherung Medicare. Sie kann sich kein Hörgerät leisten, weil Medicare nicht die Kosten übernimmt. Von Obamas Gesundheitsreform, die vor allem der unteren Mittelschicht und damit auch Menschen wie Greg helfen würde, hält sie nichts. Ihr ist der Gedanke nicht geheuer, vom Staat zu einer Versicherung „zwangsverpflichtet" zu werden. Da denkt sie wie viele andere in der gehobenen Mittelschicht, aber eben auch wie ihr Sohn: Das verträgt sich nicht mit der in der Verfassung festgeschriebenen „freedom of choices".

Was alle beruhigend finden: Die Notaufnahmen der Krankenhäuser dürfen keinen abweisen. In den Emergency Rooms bekommen auch Menschen ohne Geld und Versicherungen zumindest eine Erstversorgung. Rund um die Uhr herrscht hier reges Treiben. Die meisten Patienten kommen mit Familie und Freunden. Gemeinsam wartet man bis zu acht Stunden, schaut Fernsehen, unterhält sich und nimmt regen Anteil, wenn ein echter Notfall eingeliefert wird.

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