In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Immer. Ich bin ein Mensch, eine Musikerin, die mit großer Intensität lebt – in den schönen wie auch in den schwierigen Momenten. Man weiß ja nie, was morgen ist, es könnte morgen schon zu Ende sein. Besonders lebendig bin ich im Zusammenleben mit meinen Kindern. Im Prozess des Musizierens versuche ich, in den Flow zu geraten, der Raum, Zeit und Mensch einschließt, ein Moment gemeinsamen Erlebens. Leider ist das nicht in jedem Konzert möglich, und herbeizwingen kann ich es nicht.
An welchen Gott glauben Sie?
Ich hadere und zweifle auch, aber letztendlich fühle ich mich geleitet, ich fühle mich in meinem Glauben aufgehoben: Im Wissen, dass ich angenommen bin als Kind Gottes, dass ich Schutz finde in ihm. In der Not kann ich mich an Gott wenden, aber auch in Momenten großen Glücks, ich möchte ihn nicht missbrauchen als meinen Kummerkasten. Für mich ist jedes Konzert ein Gebet, mein Dank an Gott, dass ich meiner Berufung folgen darf, denn es ist ja doch ungewöhnlich, dass man sich mit fünf Jahren für einen Berufsweg entscheidet.
Hat das Leben einen Sinn?
Ich glaube, jeder Mensch hat Tage, an denen er alles in Zweifel zieht, das gab es bei mir und wird es wieder geben. Aber das Leben hat einen Sinn, unbedingt! So gern ich allein bin – im Miteinander hat das Leben immer einen ganz besonderen Sinn. Meine Stärke als Kind wie hoffentlich auch als Erwachsene war und ist, dass ich empathiefähig bin. Schon als Kind wollte ich unbedingt etwas für andere tun, etwas Sinnvolles, etwas Hilfreiches. Ich glaube, dass es mich als Kind hervorgehoben hat, nicht nur selbst Spaß haben zu wollen, sondern an den anderen zu denken. Auch heute hat das Leben vor allem dann einen Sinn, wenn ich etwas für andere tue, wenn ich für andere da bin.
Muss man den Tod fürchten?
Ich würde gern unbemerkt verreisen, würde gern einfach einschlafen oder einen unaufälligen Adresswechsel vornehmen. Das wäre schön. Der Tod ist mir bereits mehrmals begegnet, mein erster Mann starb an Krebs, im Juni starb meine geliebte Lehrerin Aida Stucki, sie war eine sehr enge Freundin. Spätestens dann wird einem klar, dass das Leben keine Carte blanche ist. Wir sind alle eingespannt, die Tage sind von Pflichterfüllung geprägt, aber trotzdem muss man sich immer wieder die Frage stellen: Was will Gott von uns? Was will ich mit meinem Leben bewirken? Nehme ich meine Umwelt wahr? Wie geht es meiner Seele?
Welche Liebe macht Sie glücklich?
Jede Form von Liebe, mir ist alles recht, da bin ich völlig wahllos. Liebe ist immer wieder ein riesiges Geschenk, und Fehler, die aus Liebe geschehen, sind die, die ich am schnellsten verzeihe. Erich Fromms „Die Kunst des Liebens“ hat mich als Teenager und als Mutter sehr bewegt, besonders das Thema der besitzergreifenden Liebe. Ich glaube, daran nagt jeder Erwachsene.
Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?
Ich weiß, dass ich noch mehr aus mir rausholen kann – als Mensch zuallererst, und als Musikerin auch, da gibt es immer noch Spielraum. Ich finde es endlos spannend, wenn ich nach etwas Erreichtem weiß, dass sich dahinter eine völlig neue Dimension eröffnet. Nichts ist schlimmer als Stillstand, Genügsamkeit ist nicht meine Sache. Und reisen möchte ich, nach Afrika, und auf den Machu Picchu bin ich auch noch nicht geklettert. Ich möchte mir Landschaften erlaufen, das interessiert mich, weniger dagegen, auf einem goldenen Schiff über den Nil zu dümpeln.
Wie wäre ein Leben ohne Disziplin?
Chaotisch, das totale Chaos. Musik spiegelt – genau wie ein balanciertes Leben – die perfekte Symbiose von Chaos und Disziplin wider, von Struktur und dem Aufbrechen dieser Struktur. Ohne Leidenschaft geht nichts, denn ohne Leidenschaft bringe ich die Disziplin nicht auf. Jedoch ist meine Leidenschaft ohne Disziplin nicht gezügelt, nicht gebündelt und kommt nicht zur Blüte.
Was ist gut und was ist schlecht daran, empfindsam zu sein?
Schlecht daran ist, dass man überreagiert und dass es deshalb für Menschen um einen herum manchmal schwierig ist, zu einem durchzudringen, ohne dass das ein Drama auslöst. Positiv ist natürlich, dass man den siebten Sinn hat, was die Befindlichkeit der Mitmenschen angeht, und dass man sehr wahrscheinlich der optimale Umsorger wird. Ich hoffe, dass das Positive überwiegt.