Das ist der Sinn des Ganzen, sagt die Schauspielerin Nadja Uhl
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich eine Offenheit spüre. Wenn die Angst vor Verletzungen und die Schutzmechanismen wegfallen und die Freude über das Leben fast kindlich wird. In diesen Momenten bin ich so durchlässig, dass alle Eindrücke auf mich einströmen. Dabei muss ich den Menschen um mich herum absolut vertrauen können das ist für mich existenziell. Jeder hat doch sein Päckchen zu tragen, Verlust ist mein persönliches Thema, ich trenne mich sehr ungern von Menschen oder Dingen, die mir lieb sind. Irgendwann habe ich mich gefragt: Will ich darüber verrückt werden? Oder versuche ich, mit meiner Verlustangst gelassener umzugehen? Schließlich habe ich es geschafft, immer leichter und immer öfter meine Grübeleien und Ängste beiseitezuschieben- und diese Offenheit zuzulassen.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Kinder sind zauberhafte Wesen, sie haben alles, sie sind unglaublich reich. Durch meine Tochter habe ich meine eigene kindliche Seite wiederentdeckt. Das ist für die Heilung und für das Gesundbleiben gerade in diesem Beruf - in dem es oft nur ums Ego geht - ganz wichtig. Ich habe die Balance gefunden, als Erwachsene zu funktionieren und trotzdem wie ein Kind in das Leben zu vertrauen. Einfach war das nicht, aber nie habe ich für etwas einen größeren Ehrgeiz entwickelt. Selbst in ganz herben Momenten, in denen mir das Leben um die Ohren fliegt, wollte ich sagen können: Im Herzen darf es schön sein.

Hat das Leben einen Sinn?

Wenn man glaubt, dass es keinen Sinn hat, ist es ganz dunkel und schlimm. Wann ich mich so gefühlt habe? Darüber rede ich nicht, da sage ich nur mal als Adresse: Verlust. Verlust von Menschen oder vertrauten Umgebungen. Unsere große Aufgabe ist es, den Sinn für uns selbst zu finden. Für mich ist dabei das Wort Entwicklung ganz wichtig. Also: staunen und entdecken, das Herz offenhalten, dem Glück trauen und es auf die Bühne heben. Die Seele füttern und reifen lassen, das ist der Sinn. Das sollte am Ende zu einem guten und liebevollen Zustand führen.

Muss man den Tod fürchten?

Ich hasse ihn. Dieses Absolute, dass man Menschen und Tiere nicht mehr berühren kann, nicht mehr riechen - das tut so weh. Damit kann ich nur umgehen, indem ich dem Tod die Stirn biete und versuche, noch mehr zu leben. Der Tod ist für mich ein großer Motor. Das Schlimmste wäre doch, sich kurz vor dem eigenen Tod eingestehen zu müssen, dass man sein Leben verpasst hat. Ich beobachte häufig Menschen, die gleich 20 Gründe zur Hand haben, warum etwas nicht geht. Aber das akzeptiere ich nicht. Ich habe schwache, traurige Menschen ohne rechtes Selbstbewusstsein kennengelernt, die was ändern wollten - und die das auch geschafft haben. Die sind für mich ein Vorbild!

An welchen Gott glauben Sie?

Eine Religion lebe ich nicht, aber dennoch glaube ich, dass alles irgendwie einen Sinn macht. Ich komme auch nicht weiter in der Frage, warum in Afrika Kinder verhungern. Dennoch glaube ich tief im Innern, dass alles einen Sinn macht - vielleicht kann man dieses Vertrauen Gott nennen. Meine Großeltern waren sehr gläubig. Sie haben mir dieses Urvertrauen vermittelt, ein Gefühl der Sicherheit. Sie haben mich so geliebt, wie ich war. In meiner Kindheit war vielleicht nicht alles rosig, aber die Power, die mir meine Großeltern mitgegeben haben, hat mir später sehr geholfen.

Wie überwinde ich die Angst in diesem Leben?

Die Angst vor dem Chef oder vor dem Versagen. Die Angst, dass andere einen hässlich finden oder auch nur in eine enge Lücke einzuparken - unser Leben wird doch ständig von Ängsten überschattet. Ich fühle mich freier, seitdem ich mich rigoros von Leuten getrennt habe, bei denen ich wie ein Stehaufmännchen funktionierte. Und seitdem ich mir Leute gesucht habe, denen es bewusst ist, dass sie auch schwach sind. Die zugeben, dass sie manchmal nicht mehr weiterwissen. Mit diesen Freunden habe ich mich erst einmal nicht so allein gefühlt, denn es macht einsam, wenn man sich gar nicht traut, über seine Schwächen zu reden. Sehr geholfen haben mir auch Menschen, die in vielen Dingen weiter waren als ich selbst, die mich mitziehen konnten. Meine älteste Freundin ist 101 Jahre alt, sie ist eine kluge, humorvolle Frau. Solche Menschen sind ein Geschenk.

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