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„Wohnthemen auf der documenta? Ach, darum geht es hier eigentlich bei fast allen Projekten.“ Die freundliche documenta-Pressefrau scheint richtig froh zu sein, dass mal eine Journalistin kommt, die nicht über das Antisemitismus-Problem in Kassel schreiben will. Und sie hat recht. Überall auf der Ausstellung findet sich das Thema Wohnen und Bauen.
Schon das "Pressezentrum" ist völlig anders möbliert als sonst: kein Prunk, kein Protz, kein Presse-Chi-Chi, sondern ein paar nette kleine Holztischchen mit schmalen Stühlen; einen Kaffee könnte ich mir auch ziehen. Will ich aber jetzt nicht. Mein Ziel ist das Zukunftsdorf der documenta.Wie ich auf der Webseite gesehen habe, soll es da heute eine Workshop der Architects for Future/Kassel geben. Das interessiert mich.
Ein Dorf für alle
Kaum angekommen, werde ich, obwohl nicht angemeldet, offen und freundlich empfangen. Johannes, vom Kollektiv Eigenklang erzählt mir von Kunstprojekten mit Geflüchteten, Tanz- und Theaterworkshops; Anne von der Essbaren Stadt serviert mir ein Stück selbst gebackenen Pflaumenkuchen ("die Pflaumen kommen aus unserem Garten") und gerne nehme ich ihre Einladung auf einen Kaffee mit Hafermilch an. Dann reden wir ein bisschen über die Orga des Zukunftsdorfs und die Rolle, die die Gemeinwohl-Ökonomiegruppe aus Kassel dabei gespielt hat.
Vom ersten Moment an bin ich fasziniert davon, wie leicht hier alles daherkommt. Ein paar jurtenartige Zelte als Versammlungs- und Verpflegungsorte, Holzgerüste, eine kleine Küche, ein Repair-Café, Plakate und bunte Info-Tafeln; eine Schreibmaschine, auf der Gedanken niedergetippt werden können, eine Bank im Schatten, Tische, Stühle. Alles hat seinen Platz und wirkt doch flexibel und mobil. Als ich mich am Ende für Kaffee und Kuchen bedanken möchte, bitten sie mich nicht um eine Spende sondern dazu, etwas "beizutragen".
Alle machen mit - das ist das Prinzip des Dorfes, in dem zwar keiner übernachtet, aber viele mitarbeiten. Über 30 Gruppen tragen und organisieren es für die Dauer der documenta. Was danach kommt ist offen. Genauso weiter gehen wird es nicht, doch Anne, Johannes und Co. haben ja noch ein paar Wochen Zeit, und auch wenn ich nur kurz mit ihnen reden kann, so kann ich mir gut vorstellen: Irgendwas wird kommen. Soviel positive Energie wird nicht verpuffen.
Mich interessiert für die Wohnlage am meisten das Thema „Bauen“ und so lasse ich hier kurz Veronika Pöschel und Leonie Wagner von den A4F-Kassel zu Wort kommen.
Beide sind an diesem Wochenende für einen Workshop zum Thema Lehm- und Strohbau ins Dorf gekommen. Beide sind junge Architektinnen und arbeiten in Büros in Kassel, beiden ist das nachhaltige Bauen ein Herzensanliegen. Leonie interessiert sich außerdem für Bauen im Bestand.
Als ich komme, klatschen sie gerade voller Begeisterung Lehm an die „Lehmbaustation“ im Dorf – am liebsten hätte ich gleich mitgemacht, denn dass Lehm ein zu Unrecht vernachlässigter Baustoff ist, habe ich hier ja schon mal beschrieben.
Veronika und Leonie gehören zu der jungen Generation von Architekt*innen, die nachhaltig dazu beitragen wollen, dass eine „Bauwende“ endlich auch stattfindet und nicht immer nur darüber geredet wird. Ein Zusammenschluss, wie die A4F ist dafür genau richtig und ich hab mich darüber gefreut, von den beiden zu hören, dass die Organisation sich weiter professionalisiert und wächst. In Berlin suchen sie gerade eine Mitarbeiterin für die Geschäftsstelle, könnte ja für jemanden von Euch interessant sein.
Ein großer Pluspunkt des sympathischen Ortes ist seine Lage. Der im Osten der Stadt gelegene Stadtteil „Bettenhausen“ in Kassel ist ein zentraler Ausstellungsort der documenta15.
Und so gibt es im Dorf auch viele "Zufalls-Besucherinnen". Im Vorbeigehen schnappe ich die Bemerkung einer älteren Frau auf: „Guck mal, die machen ja viele interessante Sachen hier. Wollen wir nicht noch mal wiederkommen und bei diesem Demokratie-Workshop mitmachen?“
Hinterher seh ich auf der Webseite, was die beiden Damen mit „Demokratie-Workshop“ gemeint haben könnten: Vielleicht „Übungs-Planungszellen. Ein Instrument zur Entscheidungsfindung mit Dialog am 18. August“?
Für alle Menschen mit Bauinteresse könnte auch dies ein guter Tipp sein: Ökobilanz im Bauen, am 17. 8. Von 16 bis 20 Uhr.
PS: Der Zugang zum Dorf ist frei.
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