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Wenn ein Papst beerdigt wird, wird in Rom „Heiliges Theater“ (Heribert Prantl) aufgeführt. So auch in diesen Tagen. Hinter dem vordergründigen Theater steht freilich die viel wichtigere Frage nach der Zukunft dieser Kirche.
2021 sind in Deutschland über 250.000 Menschen aus der evangelischen Kirche und über 360.000 aus der katholischen Kirche ausgetreten. 2022 gab es in Deutschland erstmals mehr Nichtchristen als Christen. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, dann haben die beiden großen christlichen Kirchen in 50 Jahren null Mitglieder. In Teilen Ostdeutschlands sind schon heute noch 17% Kirchenmitglied. Dort habe ich nach einem Jesus-Vortrag mal jemand gefragt: „Sind Sie katholisch oder evangelisch? Die Antwort: „Weder noch – ich bin ganz normal.“
Nach meiner Beobachtung ist die Kirchenkrise keine Glaubenskrise. Die Mehrheit der Deutschen glaubt an Gott oder an „etwas Höheres“. Und Jesu Botschaft von Frieden, Gerechtigkeit und Liebe ist noch populärer nach dem Motto „Jesus ja – Kirche nein!“. Im Sommer 2021 sagte Kardinal Marx zu den Missbrauchsskandalen: „Das System Kirche hat versagt“. Er sprach zurecht vom „Verrat der Kirche an Jesus“. Vor einem Jahr trat der Generalvikar (Stellvertreter des Bischofs) der Diözese Speyer aus der Kirche aus. Seine Begründung: „Ich muss aus dieser Kirche raus, weil ich Mensch bleiben will“. So denken immer mehr Christen in Deutschland. Sie bleiben Christen ohne Kirche, Jesuaner.
Eine Männerkirche – bei der Beisetzung von Benedikt XVI. sah man Männer agieren und Frauen weinen – die im 21. Jahrhundert immer noch nicht dem Frauenfreund aus Nazareth nachfolgen will, widerspricht zentralen jesuanischen Visionen.
Journalistisch gesprochen: Jesus wurde 2000 Jahre lang von seinen Theologen zensiert. Der Frauenfreund wird bis heute missbraucht,
- um Frauen in der katholischen wie auch in den christlich orthodoxen Kirchen zu diskreditieren,
- der Jude Jesus wurde benutzt, um Antisemitismus zu praktizieren,
- der Sohn eines Handwerkers wird instrumentalisiert, um noch die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus zu rechtfertigen,
- der Befreier von Angst muss herhalten, um kirchliche Angstverbreitung zu legitimieren und
- der große Friedensfreund der Bergpredigt wurde 2000 Jahre lang missbraucht, um auch noch die brutalsten Kriege zu rechtfertigen.
- Der Menschsohn wird zum Gottessohn hochgejubelt, um den wirklichen Jesus zu verharmlosen. Schlimmer geht´s nimmer.
Die Humanität einer Kirche oder einer Gesellschaft zeigt sich an ihrer Einstellung zu Frauen. In dieser Situation versucht sich Papst Franziskus als Reformer. Sein Vorgänger als Konservativer hat ihm ein dunkles Erbe und noch dunklere Erben hinterlassen. Solange die katholische Kirche eine Benedikt-Kirche bleibt, werden immer mehr Menschen, hauptsächlich Frauen, sagen: „Jesus ja – Kirche nein !“.
Jesus lehrte: Die Welt ist nicht heil, aber heilbar.