Herr Vogelbusch, wie beurteilen Sie die Urteile gegen Attac, Campact und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)?
Friedrich Vogelbusch: Die Urteile entsprechen dem, was das Gesetz derzeit fordert. Nach Paragraf 52 der Abgabenordnung ist es noch gemeinnützig, wenn Vereine bildungspolitische Arbeit leisten. Sie müssen es nur in geistiger Offenheit tun. Sie dürfen sogar tagespolitische Probleme ansprechen. Allerdings dürfen sie nicht die politische Willensbildung durch Kampagnen dominieren. Mit dem Urteil gegen den Attac-Trägerverein ist im Januar 2019 allerdings ein weiteres Kriterium hinzugekommen: das "Zuviel" an politischer Willensbildung. Da kann nur der Gesetzgeber gegensteuern.
Was würden deutsche Politiker sagen, wenn in Ungarn oder in Polen einem Verein von Naziopfern die Gemeinnützigkeit entzogen würde?
Wir machen ja nicht über den Verwaltungsweg unbequeme zivilgesellschaftliche Akteure mundtot. Sondern die Finanzverwaltung setzt ein Gerichtsurteil um. Das ist rechtsstaatlich völlig in Ordnung. Das Gericht hatte differenziert: Wo vermittelt der VVN auf eine im Sinne der Abgabenordnung gemeinnützige Weise Bildungsinhalte und wo setzt er eigene Vorstellungen durch. So etwas auseinanderzuhalten, ist schon anspruchsvoll und kaum lösbar für eine Finanzverwaltung. Ich rate zu Gelassenheit. Wir sind doch trotz der Wahlerfolge von politischen Parteien außerhalb des klassischen Spektrums noch immer eine gefestigte Demokratie.
Friedrich Vogelbusch
Was schlagen Sie also vor?
Der Gesetzgeber muss die Abgabenordnung ändern und für Kampagnen- und politische Lobbyarbeit einen eigenen gemeinnützigen Zweck schaffen.
Könnte eine solche Änderung auch rechtsextremen Vereinen Steuerfreiheit bescheren?
Der Gesetzgeber setzt ja durchaus Grenzen. Alles muss sich auf dem Boden der Verfassung bewegen, und Proteste dürfen nicht gewaltsam sein. Aber die überwiegende Zahl der zivilgesellschaftlichen Akteure engagiert sich ja friedlich. Und dieses Engagement trägt unsere Gesellschaft.