Der Hund ist des Menschen bester Freund.
Der Hund ist des Menschen bester Freund.
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Tierethik
Zum Töten braucht es einen vernünftigen Grund
Die Stadt Limburg will Tauben durch Genickbruch töten. Dagegen gibt es Widerstand. An dem Limburger Streit zeigt sich, wann und warum Menschen Tiere töten und wann sie es für problematisch halten
Tim Wegner
18.04.2024
8Min

Im hessischen Limburg hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass die Stadttauben durch Genickbruch getötet werden sollen, um ihre Population zu verringern. Daraufhin regte sich Protest. Die Initiative "Stoppt das Taubentöten!" sammelte Unterschriften für einen Bürgerentscheid und bekam die nötige Anzahl zusammen. Am 9. Juni dürfen die Limburger darüber abstimmen, ob der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung beibehalten werden soll oder ein anderes Vorgehen gegen die Tauben nötig ist.

Der Streit in Limburg zeigt exemplarisch, wie umstritten der menschliche Umgang mit Tieren ist. Zwar sind Tiere kaum einem Menschen egal, wie der Umweltsoziologe Marcel Sebastian weiß, aber es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Tierarten. Sebastian forscht an der Technischen Universität Dortmund zur Mensch-Tier-Beziehung. Er sagt: "Hier ist sehr viel in Bewegung, vielleicht so viel wie noch nie in der Geschichte. Allerdings gibt es auf diesem Gebiet eine ungleichzeitige Gleichzeitigkeit." Das soll heißen: Manchen Tieren geht es richtig gut, anderen überhaupt nicht. Und der menschliche Umgang mit den Tieren erfolgt nach unsachlichen Kriterien.

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Würde es in Limburg eine Rattenplage geben, würde sich wohl kaum jemand für die Tiere einsetzen. Aber Tauben waren schon immer "Tiere auf der Grenze", erklärt Sebastian. Zwar gibt es Menschen, die sie als Ratten der Lüfte bezeichnen, aber es gibt eben auch eine lange Tradition der Taubenzucht in Deutschland. Und wenn eine Tierart, wie die Tauben bei der Taubenzucht, den Menschen besonders nahekommt, dann hebt sich die Hemmschwelle, diese Tiere zu töten.

Lieblingstiere werden geschützt

Welche Tiere in Deutschland geschützt werden, hängt also davon ab, welche Tiere die Deutschen gerne haben? Dafür spricht, dass Hunde und Katzen stark geschützt sind. Niemand darf sie einfach in eine Falle locken und danach durch Genickbruch töten – wie es in Limburg mit den Tauben gemacht werden soll. Zwar sind Hunde auch keine Plage, aber selbst, wenn eine Stadt vor streunenden Hunden überquellen würde, würde ein solches Vorgehen gesellschaftlich sicher nicht toleriert werden.

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Im Jahr 1986 wurde in Deutschland das Züchten und Schlachten von Hunden für die Fleischgewinnung verboten. Dieser Entscheidung ging eine jahrzehntelang geführte Diskussion voraus. Die Gegner des Verbots argumentierten, dass damit eine "Büchse der Pandora geöffnet würde", berichtet Sebastian, der zu diesem Thema geforscht hat. Das Denken dahinter: Weil es keine anderen als emotionale Gründe dafür gibt, dass Hunde nicht geschlachtet werden sollen, könne man anderen Vorstößen in die gleiche Richtung keine guten Gegenargumente erwidern. Warum Schweine schlachten, wenn Hunde verschont werden?

Das Schwein und der Hund haben nämlich viele Ähnlichkeiten. Beide Tierarten können als Haustiere gehalten werden und beide Tierarten werden in unterschiedlichen Teilen der Erde als Delikatesse verspeist. Dazu kommt, dass die kognitiven Fähigkeiten beider Tierarten sehr ähnlich sind. Dass Hunde in Deutschland also als des Menschen bester Freund gelten und laut einer aktuellen Umfrage beinahe 70 Prozent der Haustierbesitzer über 41 Euro pro Monat für ihr Tier ausgeben, Schweine dagegen zu Massen auf engstem Raum gehalten werden, um sie danach zu Billigsteak zu verarbeiten, hat keine rationalen Gründe. Es liegt einfach daran, dass Hunde so beliebt sind und Schweine nur als Steak oder Wurst.

Um ein Tier töten zu dürfen, braucht es in Deutschland laut Gesetz einen "vernünftigen Grund". Das gilt theoretisch auch für Mücken oder Regenwürmer, weiß Sönke Gerhold. Er ist Juraprofessor in Bremen und leitet an der dortigen Universität die Forschungsstelle für Tier- und Tierschutzrecht. "Das Tierschutzrecht gilt für alle Tiere. Wobei die Kategorie Tier diese Lebewesen von den Pilzen und Pflanzen abgrenzt", erklärt der Professor. Allerdings finden die Strafbestimmungen bei Nichtwirbeltieren wie Mücken und Regenwürmern keine Anwendung. Wer aber ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, der muss mit einer Strafe rechnen. Wirbeltiere seien in Deutschland die am stärksten geschützte Tierart, sagt der Jurist.

Jeder darf straflos ein Tier töten

Mäuse sind Wirbeltiere und trotzdem wird niemand bestraft, der zu Hause eine Mausefalle aufstellt und damit eine Maus tötet. Das liegt daran, dass das Freihalten des eigenen Hauses von Mäusen eben als vernünftiger Grund anerkannt ist. Mäuse und Ratten, die von den Menschen oft als Schädlinge angesehen werden, dürfen somit laut Gesetz getötet werden. Es ist also für jeden Deutschen möglich, ein Tier zu töten, ohne sich strafbar zu machen – es kommt nur auf den Grund an. "Die häufigsten Gründe für das Töten sind Fleischerzeugung, Schädlingsbekämpfung, Jagd oder auch Schmerzvermeidung", sagt Gerhold. Wer als Privatperson Kaninchen züchtet, um sie später zu verzehren, darf diese also auch töten. Er muss laut Gesetz aber darauf achten, dem Tier keine unnötigen Schmerzen zuzufügen.

Anders sieht es aus, wenn eine Tierart nicht nur ein Wirbeltier ist, sondern auch nach dem Naturschutzrecht geschützt ist. Dazu zählt beispielsweise der Fischotter oder bestimmte Raubvögel wie die Schleiereule. Diese Tiere dürfen nicht nur nicht getötet werden - sie dürfen nicht einmal gestört werden und müssen per Gesetz in ihrer Lebensweise geschützt werden. Wie gut Tiere es in Deutschland haben, hängt stark von der Tierart ab. Doch es gibt einen klaren Trend in Richtung mehr Tierwohl, beobachtet auch Soziologe Sebastian.

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Dabei sind es zwei grundsätzlich unterschiedene Fragen, die derzeit Menschen beschäftigen, die sich für das Wohl der Tiere einsetzen. Die eine Frage ist: Wie kann die Haltung und Nutzung von Tieren so verändert werden, dass die Tiere bessere Lebensbedingungen haben. Diese Frage wird politisch diskutiert und von einem breiten Konsens in der Gesellschaft getragen. "Es gibt kaum jemanden in Deutschland, dem das Wohlergehen der Tiere völlig egal ist", sagt der Soziologe. Das zeigt sich auch daran, dass das Tierwohl im Koalitionsvertrag der Ampelregierung an verschiedenen Stellen eine Rolle spielt. Am 1. Februar wurde ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für eine Veränderung des Tierschutzrechts vorgestellt. Die bedeutendsten Veränderungen darin sind ein grundsätzliches Verbot, Tiere angebunden zu halten, und eine Videoüberwachung in Schlachthöfen. Das Thema Tierschutz steht also auf der politischen Agenda der Ampelkoalition.

Tier sind rechtlich Objekte

Die andere Frage ist, ob Tiere überhaupt Rechte haben. Juristisch ist diese Frage klar zu beantworten. "Das Tier wird im Recht als Rechtsobjekt behandelt", erläutert Tierrecht-Spezialist Gerhold. Das bedeutet, Tierrechte gibt es nicht. Das allerdings sehen viele kritisch. So wird in der Philosophie schon länger eine Debatte geführt, ob man Tiere rechtlich nicht zu Subjekten, also Rechtsträgern, machen könne. Dann könnte gesetzlich ein Recht auf Leben verankert werden.

"Ich denke, Empfindungsfähigkeit ist die Eintrittskarte für moralische Rechte", sagt Bernd Ladwig. Er ist Professor für politische Theorie an der Freien Universität Berlin und arbeitet zum Thema Tierethik. Wenn Tiere, wie beispielsweise Schweine, Empfindungen haben und verletzbare und endliche Lebewesen seien, hätten sie viele Eigenschaften, die bei Menschen als wichtig und schützenswert erachtet werden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit sei ein Beispiel dafür. "Wenn man nun sagt, die vergleichbaren Interessen bei Tieren schützen wir nicht, ist das Willkür", sagt Ladwig. Er folgert daraus, dass Tieren moralische Rechte zugestanden werden müssten, wenn nicht willkürlich gehandelt werden solle.

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Sönke Gerhold hält die Frage nach dem Recht der Tiere allerdings für nur sehr beschränkt nützlich. "Selbst wenn man gesetzlich ein Recht des Tieres auf Leben verankere, wäre damit noch nichts gewonnen", sagt er. Denn solange in der rechtlichen Abwägung der Mensch Vorrang vor dem Tier habe, könne ihm das Lebensrecht weiterhin unter vielen Umständen genommen werden. Etwa, wenn das menschliche Bedürfnis nach Fleisch dem tierischen Recht auf Leben überwiege. Mit der Forderung nach einem Recht der Tiere sei es also nicht getan, vielmehr müsse es darum gehen, "wie man Tierrechte in die Gesamtrechtsordnung einpflegen kann, damit sie wirklich Sinn machen". Davon sei man aber noch weit entfernt.

Gefühle sind entscheidend

Beim Umgang mit Tieren komme es ohnehin stärker auf Gefühle an als auf stringente Argumentation, sagt Soziologe Sebastian. "Artgerechte Tierhaltung, humane Schlachtung und andere Konzepte, die diskutiert werden, um das Tierwohl zu verbessern, sind keine objektiv festlegbaren Fakten, sondern eben kulturelle Konzepte, mit denen wir versuchen, diese Legitimitätsgrenze zu ziehen."

Diese Grenzen verschieben sich im Moment massiv. Der lange geltende Konsens, dass Menschen mit den Tieren nach ihrem Belieben verfahren dürfen, gilt nicht mehr. Das liegt an einer Vielzahl von Ursachen. Dazu gehört auch, dass wir immer mehr über die Fähigkeiten der Tiere lernen. Der berühmte Philosoph René Descartes bezeichnete im 17. Jahrhundert die Tiere als seelenlose Maschinen und wollte ihnen weder Gefühle noch Bewusstsein zuerkennen. Heutzutage weiß man viel mehr über die Leidensfähigkeit und die kognitiven Fähigkeiten dieser Lebewesen und Descartes ist in Bezug auf Tiere als ahnungslos entlarvt.

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Das gesteigerte Wissen um die Fähigkeiten der Tiere macht es schwerer, sie einfach als Sachen zu betrachten, wie es das Recht noch vorsieht. Soziologe Sebastian sagt, dass er in Interviews mit Schlachtern festgestellt habe, dass das Fremdmachen der Tiere und damit das Von-sich-Schieben von Emotionen beim Schlachten wichtig für die Schlachter sei, um diese Arbeit tun zu können. Sobald sich Mensch und Tier emotional annähern, wird es schwer, das Tier zu töten. Dazu passt, dass der Falkner, der den Limburger Tauben das Genick brechen könnte, der "F.A.Z." gesagt hat, er empfinde dabei nichts, das sei lediglich Arbeit. Bei Tieren, die eine hohe Interaktionskompetenz haben, wie etwa Hunde und Katzen, die als Haustiere gehalten werden, ist dieses emotionale Vom-Leib-Halten besonders schwer. Hunde und Katzen sind für die Menschen nicht nur Lebensbegleiter, sondern in den meisten Fällen Familienmitglieder, sagt Sebastian. Die menschlichen Familienmitglieder interagieren auf vielfältige Weise mit ihnen und so entsteht eine Gemeinschaft.

Trotzdem reicht die Begründung umso höhere Empfindungsfähigkeit und Interaktionskompetenz umso größere Nähe zu den Menschen nicht, um den menschlichen Umgang mit dem Töten von Tieren voll zu umfassen. Es ließe sich auch eine Gesellschaft vorstellen, in der das Töten von Mücken tabuisiert wäre, sagt Sebastian. Beispielsweise, wenn die Mücke das heilige Tier der vorherrschenden Religion sei. Ob und welche Tiere in einer Gesellschaft getötet werden dürfen, hängt also weniger mit deren faktischen Fähigkeiten und Eigenschaften zusammen als damit, wie wir Menschen über sie denken und in ihrer Nähe fühlen. Das Entscheidende ist, "unter welchen Bedingungen ist es in einer gegebenen Gesellschaft mehrheitsfähig, dass diese und jene Tierart auf diese und jene Art und Weise getötet werden darf", sagt Sebastian.

Für die Tauben in Limburg heißt das, dass sie nun darauf hoffen müssen, dass ein kreativer Taubenfreund eine zündende Idee hat, wie er den Limburger Bürgern klarmachen kann, dass ihre tierischen Nachbarn nicht nur Störenfriede, sondern Mitbewohner sind. Das könnte ihnen noch den Hals retten.

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Es liegt einfach daran, dass der Hunger dazu zwingt. In Korea ist es Hundefleisch, bei uns das Schwein. Und wenn das Pferd nicht so edel wäre... . Aber getötet wird auch von den lieben "Freunden". Ein Hund sagt nicht, ich will nicht mehr, sonst werde ich zu dick. Er kann sich nicht wehren und frisst. Dann braucht er eine Laufprotese. Das ist gelebte Tierquälerei. Ein Hunde bekommt auch die Schlachtabfälle. Seit auch der Darminhalt von Vieh über die Biogaserzeugung genutzt wird, haben wir die 100 % Verwertung. Nur deshalb kann das Hundefutter so bllig sein. Die tierischen Proteine (gefroren, geschreddert und gekocht) werden dem Tierfutter beigemischt. Das ist aus Tierliebe indirekter Kanibalismus. Die Oma erschrickt und kauft weiter. Fips hat doch Hunger.

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