Abtreibungsgegner vor Pro Familia in Frankfurt
Abtreibungsgegner der Aktion "40 Tage für das Leben" demonstrieren vor der Beratungsstelle von Pro Familia in Frankfurt
Sebastian Gollnow/dpa/picturealliance
Ausstieg aus ökumenischer Initiative
Richtige Entscheidung!
Wieder startet eine "Woche für das Leben", mit der die beiden christlichen Kirchen für "die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit menschlichen Lebens" sensibilisieren wollen. Aber die EKD steigt aus. Warum das richtig ist
Tim Wegner
11.04.2024
4Min

Zu Beginn eine grauenhafte Vorstellung: Eine Frau ist schwanger, fühlt sich alleine gelassen, ist überfordert mit der Situation, kommt zu dem Schluss, dass es keine gute Idee ist, das Kind zu bekommen, weil sie sich einfach nicht richtig kümmern kann. Und dann versammeln sich irgendwo in Deutschland in einer ehrwürdigen Kirche zwei jahrhundertealte Institutionen, repräsentiert durch ältere, im Leben gefestigte Menschen in teuren Roben, reden von Gott, singen Lieder, lassen ihre ganze Macht spielen und das mit dem Ziel, einem klarzumachen: Du bist ein Feind des Lebens!

Eine grauenhafte Vorstellung, aber doch Realität für viele Schwangere in Deutschland seit 1994. Denn in diesem Jahr machte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zum ersten Mal bei der sogenannten "Woche für das Leben" mit. Diese Veranstaltung wurde 1991 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gegründet, um gegen eine Liberalisierung der Abtreibung in Deutschland einzutreten. Ab dem kommenden Samstag (13.4.) findet die "Woche für das Leben" zum letzten Mal ökumenisch statt. Die EKD hatte letztes Jahr angekündigt auszusteigen. Eine wirklich überfällige Entscheidung!

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Zwar ging es bei der Veranstaltung nicht ausschließlich um Abtreibung. Letztes Jahr ging es um die Sorgen junger Menschen in Zeiten der multiplen Krisen, davor um Demenz, dieses Jahr ist Inklusion das Thema. Das sind wichtige Anliegen – keine Frage. Aber der Ursprung der Veranstaltung und der Name reihten sie ein – ob gewollt oder nicht – in ein Panorama ewiggestriger Paternalität: Lebensschützer, Marsch für das Leben, Woche für das Leben.

In was für einer Gesellschaft war die EKD da also bisher? Gerade hat der Bundestag darüber debattiert, wie man die selbst ernannten Lebensschützer, die man lieber Abtreibungsgegner nennen sollte, gesetzlich davon abhalten kann, Ärztinnen und Ärzte und Schwangere zu belästigen und zu bedrohen – freiwillig machen sie es nicht. Und letztes Jahr beim sogenannten "Marsch für das Leben" wurde ein Foto gemacht, auf dem ein junger Mann die rechtsextreme Geste für "Weiße Vorherrschaft" macht und dabei neben dem konservativen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer läuft. Seit Jahren ist bekannt, dass diese Märsche von Rechtsextremen besucht werden.

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Was ist das überhaupt für eine Botschaft, die hinter den Namen dieser Veranstaltungen steckt, die sich alle mit dem Lebensbegriff brüsten: Du kleiner Mensch weißt nicht, was das richtige Leben ist. Wir, die große Kirche, wir wissen es und wollen, dass du dich unseren Vorstellungen beugst. So hat Kirche über Jahrhunderte gewirkt und ihre Macht, man muss es so hart sagen, missbraucht.

Es ist aber nicht nur kommunikativ notwendig, dass die EKD zeigt, hier wollen wir nicht dazugehören. Es ist auch inhaltlich geboten. Die Institution Kirche muss endlich die Fesseln lösen, die sie selbst mit gelegt hat, also für eine Liberalisierung eintreten, oder ganz schweigen. Die Kirchen haben bei diesem Thema, seitdem sie das erste Mal etwas dazu gesagt haben, nur Schaden angerichtet. Unzähligen Menschen wurde ihr seelisches Leben buchstäblich zur Hölle gemacht durch die mächtige, quasi göttliche Verurteilung durch die Kirchen: Du hast gesündigt! Du kommst in die Hölle! Das waren die Botschaften an junge Frauen, die abgetrieben haben.

Was für ein Machtgefälle: Wohlhabende, ältere Menschen – in der katholischen Kirche bis heute ausschließlich Männer – urteilen über in Not geratene, oft junge und meist nicht wohlhabende Frauen. Die EKD hat mit ihren letzten, liberaleren Äußerungen zu bioethischen Themen offenbar langsam erkannt, dass aus dieser Konstellation nichts Gutes kommen kann. Dass diese Erkenntnis bei den Katholiken bisher nicht angekommen ist, ist ein Grund mehr, hier auszusteigen.

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Natürlich gibt es aus christlicher Perspektive zu dieser Frage viel zu sagen. Aber die EKD sollte diese Wortäußerungen lieber ihren Mitgliedern überlassen und nicht von oben steuern wollen. Viele Ethikerinnen, Mediziner, Psychologinnen, Sozialarbeiter, Beraterinnen und viele andere mit dem Thema Schwangerschaft befasste Menschen sind nach wie vor Christen. Sie werden ihr christliches Verständnis des richtigen Lebens auch ohne solche kirchlichen Veranstaltungen einbringen.

Es ist das Grundprinzip des Protestantismus, die Kirche nicht von oben, von ihrer Leitung her zu verstehen. Insofern ist der Protestantismus eigentlich das Gegenteil von Paternalismus, von Bevormundung. Vielleicht ist der Ausstieg aus der "Woche für das Leben" ja ein Hinweis darauf, dass die EKD sich auf dieses liberale, evangelische Urprinzip besinnt.

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Der Ausstieg der EKD aus der "Woche für das Leben" soll also gelesen werden als zartes Pflänzchen Hoffnung dafür, dass die Kirche den Schäfchen in Zukunft nicht mehr sagen wird, wo es lang geht? Da schlage ich doch eher vor, den Evangelen aufs Maul zu schauen, sich also anzuhören, warum sie aussteigen. Laut BR24, dem Nachrichtenkanal des Bayerischen Rundfunks, war der Grund für den Ausstieg, "dass die öffentliche Wirkung der "Woche für das Leben" in den vergangenen Jahren "nur noch sehr partiell und regional unterschiedlich" gegeben gewesen sei."

Quelle: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/woche-fuer-das-leben-bruch-zwischen-katholiken-und-protestanten,TiHdb7I

Klartet: Die Woche für das Leben hat nicht mehr die Wucht der moralischen Einschüchterung, die ihr zugedacht war. Deswegen weg mit ihr!

Fritz Kurz

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" Es ist das Grundprinzip des Protestantismus, die Kirche nicht von oben, von ihrer Leitung her zu verstehen. "

Da standen wohl Gott und die Bibel im Wege ?
Und auch die Anhänglichkeit der Gläubigen, vermute ich ?

" Eine grauenhafte Vorstellung "

Sehr gut ! Es lebe die Abtreibung !
Zum sex. Missbrauchsskandal gesellt sich nun die Befürwortung der Abtreibung ,
die Empathie für " grauenhafte frauliche Zustände , wie Schwangerschaft , geschweige denn eine unfreiwillige ...

" Insofern ist der Protestantismus eigentlich das Gegenteil von Paternalismus, von Bevormundung. "

Na ja, siehe Nils Husmann, Bevormundung ist sein Lieblingsthema.

Was Sie beschreiben, ist schlichter Opportunismus, gesäumt mit Plattitüden.

" Viele Ethikerinnen, Mediziner, Psychologinnen, Sozialarbeiter, Beraterinnen und viele andere mit dem Thema Schwangerschaft befasste Menschen sind nach wie vor Christen. Sie werden ihr christliches Verständnis des richtigen Lebens auch ohne solche kirchlichen Veranstaltungen einbringen. "

Die Firma zieht sich somit zurück ? Das ist eine Mogelpackung.

Der neue alte Gegenspieler, der Erzkatholik, ist wieder auf dem Radar.

Welch ein Erbrechen !

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