Junge mit Kapuze vor Bildschirm beim Computer spielen
Beliebte Beschäftigung: Computerspiele - aber wie viel ist genug?
Sabrina Bracher/iStockphoto
Zwischen Vertrauen und Kontrolle
Der Gaming-Keller
Computerspielen macht den meisten Kindern Spaß, mir nicht. Ich will meinen Kindern ihre Leidenschaften lassen, frage mich aber trotzdem, ob sie von selbst erkennen, dass das echte Leben schöner ist
Tim Wegner
18.04.2024
3Min

Ein Freund meines älteren Sohnes hat einen Gamingkeller (auf Deutsch: Computerspielkeller) – das hat er mir gestern erzählt. Für mich ist das etwas Ähnliches wie ein Folterkeller: wenig Tageslicht und abgestandene Luft, dafür hunderte bunte LEDs an den Wänden. Dazu schnell wechselnde Bilder auf einem großen Fernseher und Menschen, deren fahler Hautfarbe man ansieht, dass sie schon lange nicht mehr draußen waren. Das habe ich meinem Sohn dann auch so gesagt und er war beleidigt.

Er hat gesagt, dass ich nicht schlecht machen soll, was er und auch sein Bruder und seine Freunde lieben. Und da hat er ja auch recht. Das ist wirklich nicht nett. Also habe ich mich entschuldigt und es auch ernst gemeint. Aber heimlich, in meinen Gedanken, hat mich die Vorstellung meiner Kinder in einem Gamingkeller nicht losgelassen: gruselig. Es gibt wenig Dinge, die mich so abstoßen wie Computerspiele. Computerspielen dürfen die Kinder natürlich trotzdem. Aber was würde ich machen, wenn sie sich einen Gamingkeller wünschen?

Meine Frau und ich haben ein oberstes Erziehungsprinzip: Selbstbestimmung. Daher haben wir auch schon vor Jahren eine Süßigkeitenschublade eingerichtet, die immer gut gefüllt ist und die von den Kindern bis 17 Uhr theoretisch jeden Tag leergegessen werden könnte. Die ersten Wochen waren sie auch ganz heiß darauf. Und wir haben gedacht: Was haben wir nur getan? Jetzt werden unsere Kinder adipös und wir sind schuld. Zum Glück hat sich das Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte aber ausgezahlt. Heute essen sie an vielen Tage gar keine Süßigkeiten. Sie denken gar nicht daran.

Und mit den Computerspielen ist es eigentlich genauso - hoffentlich. Wir haben die Regel, dass sie so viel spielen können wie sie wollen, dass sie aber selbst darauf achten sollen, dass es nicht zu viel ist. Ich weiß nicht, wie viel sie wirklich spielen. Aber sie kommen auch erst am Nachmittag aus der Schule und dann gehen sie meistens noch zum Sport. Viel Zeit bleibt da eh nicht. 

Lesen Sie hier, warum man beim Computerspielen gut abschalten kann

Ich will sie auch nicht kontrollieren. Ich denke, wenn sie unbedingt spielen wollen, dann müssen sie es halt tun. Irgendwann werden sie schon selbst wieder das Bedürfnis nach dem real-Life haben. Aber ich habe auch leicht reden, denn ich finde Computerspielen so langweilig, dass ich nicht mal für Geld meine Zeit damit verbringen würde. Das Gleiche gilt übrigens für Süßigkeiten. Schon bei der Vorstellung der ganzen klebrigen, süßen Sachen in meinem Mund fühle ich mich flau im Magen. 

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, aus der Sache mit dem Gamingkeller zu lernen. Es ist immerhin auch Sache des Vaters, sich für die Leidenschaften der Kinder zu interessieren. Vor allem mit Bewertungen (Folterkeller!) sollte man sich zurückhalten. Und es ist mit dem Kindererziehen wohl wie immer im Leben: ohne Vertrauen geht es nicht. Es gibt auch gar keinen Grund, meinen Kindern nicht zu vertrauen. Sie selbst werden wissen, was für sie am besten ist. Wenn sie mich nach meiner Meinung fragen, dann erzähle ich von den Dingen, die ich liebe und hoffe darauf, dass sie nicht mit einer üblen Bewertung reagieren.

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Kolumne

Michael Güthlein
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Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 7, 5). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.