Andererseits - eheliche Gewalt
Kati Szilagyi
Der Arzt und das Gerücht
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
24.09.2020

Anonymus fragt:

"Neulich erzählte mir eine Bekannte, ihr Nachbar schlage seine Frau, das wisse die ganze Straße. Ihr Nachbar ist mein Hausarzt. Er ist fachlich exzellent, ich habe ihn auch schon vielfach weiter­empfohlen. Mein Vertrauen ist nun erschüttert. Eigentlich müsste ich mir einen anderen Arzt suchen . . ."

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Stefanie Schardien antwortet:

"Beginnen wir rückwärts in den ethischen Herausforderungen: Eigentlich müssten Sie . . . Ein "Eigentlich" bedingt immer ein "Aber". Ihres könnte lauten: "Aber vielleicht ist alles nur üble Nachrede." Denn natürlich ist es möglich, dass sich aus einem ­gemeinen Gerücht gefühlte ­Gewissheiten entwickeln. Dann wäre es fatal, die Verleumdungsgeschichte auch zu unterstützen, und Sie bräuchten keinen anderen Arzt. Sie sind keine ­Detektivin, aber fragen Sie bei Ihrer Bekannten nach, ob "alle wissen" auf Erkenntnissen beruht. Bei größerer Gewissheit könnte Ihr "Aber" bedeuten: "Aber vielleicht sollte ich ­zwischen dem Arzt und dem möglichen Täter trennen."

Da Sie selbst Ihr Vertrauen bereits als erschüttert beschreiben, dieses aber wesentlich zur Hausarzt­beziehung gehört, scheint mir ein solcher Unterscheidungs­versuch recht aussichtslos. Ein neuer Arzt müsste her. Das wohl gewichtigste Problem wäre in ­alledem aber wohl: Ein halber Ort weiß von einem Gewalt­geschehen, unternimmt aber nichts, dem möglichen Opfer und in zweiter Linie auch dem Täter zu helfen. Teufelskreise aus Gewalt und Schweigen ­können durchbrochen werden. Opfer­schutz­stellen können Hilfe für die ­konkrete Situation bieten. Bedrängen Sie die Frau nicht, aber signalisieren Sie oder Ihre Bekannte ihr die Bereitschaft, sie zu unterstützen."

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Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen und muß dazu sagen, daß ich das Gleiche erlebt habe. Über einen Arzt, dem ich persönlich sehr vertraue, wurde ebenfalls ein böses Gerücht verbreitet. Ich habe mich zum Glück nicht davon beeinflussen lassen und bin weiter zu ihm gegangen. Am Ende stellte sich heraus, daß an dem Gerücht nichts dran war.