Wenige Worte haben so sehr an Ansehen verloren wie "Seele". Lange galt sie als Inbegriff des Menschlichen. Dichter haben sie auf das Herrlichste besungen, Theologen und Philosophen hinreißende Theorien über sie entwickelt. Sie bezeichnete das, was den Menschen im Kern ausmacht, ihn vom Tier unterscheidet, nach seinem Tod von ihm bleibt, ihn mit Gott verbindet. Dann kam die moderne Wissenschaft. Sie entdeckte die Gesetze der Natur und entzauberte die Welt – sie entzauberte aber auch den Menschen, indem sie ihn mit biologischen und soziologischen Methoden untersuchte. Für die Seele blieb da kein Raum mehr.
Johann Hinrich Claussen
Heute kommt die Seele in der Alltagssprache kaum mehr vor. Auch die Wissenschaft des menschlichen Gefühlslebens meidet sie konsequent, obwohl "Psychologie" übersetzt schlicht "Seelen-Wissenschaft" und entsprechend "Psychotherapie" "Seelen-Heilkunde" bedeutet. Selbst die akademische Theologie ist in den vergangenen Jahrzehnten ängstlich auf Distanz geblieben. Nur die kirchliche Seelsorge hält unverklemmt und tapfer an ihr fest. Es wirkt tröstlich, fast rührend, wenn man durch ein modernes Krankenhaus geht, Schildern zur richtigen Abteilung folgt, komplizierte Fachbegriffe liest und dann einem Wegweiser zur "Seelsorge" begegnet.
Es ist wichtig, an diesem Wort festzuhalten und es zugleich neu zu deuten. Denn es steht für das, was der Apostel Paulus den "inneren Menschen" genannt hat. Im Unterschied zum "äußeren Menschen" lässt er sich nicht berechnen und benutzen. Er hat keinen Wert, der sich beziffern ließe, sondern eine Würde. Natürlich kann man heute nicht mehr von der Seele so sprechen, wie es in vormodernen Zeiten üblich war: als wäre sie ein metaphysisches Organ, das mit dem Rest seines Körpers und seinen Gefühlen nichts zu tun hat. Deshalb hat es sich erübrigt, die Seele genau verorten zu wollen: Sitzt sie im Gehirn, in der Brust oder in der Zirbeldrüse, wie Denker der Antike und der frühen Neuzeit mitunter vermuteten? Das sind sinnlose Spekulationen, die nicht bedenken, dass im Menschen alles miteinander verbunden und leiblich ist, auch das Geistige.
Der Atem belebt uns
Im Menschen ist aber auch alles belebt und innerlich bewegt. Deshalb lohnt ein Blick in die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Sie erzählt, wie Gott den Menschen erschaffen hat: Er nahm einen Klumpen Erde, formte daraus einen Körper mit Armen, Beinen, Bauch, Brust und Kopf; entscheidend war, dass er ihm danach durch die Nase seinen Atem einblies. Jetzt wurde aus einem Stück Töpferkunst ein richtiger Mensch – oder, wie Martin Luther übersetzte: ". . . also ward der Mensch eine lebendige Seele." Immer noch ist der Atem das angemessene Bild für die Seele, diese innere Kraft, die nicht getrennt vom Körper zu denken ist und diesen zu einer Einheit des Lebens und Erlebens macht.
Mit moderner Wissenschaftssprache kommt man dem eigenen "inneren Menschen" schwerlich auf die Spur. Besser ist es, sich von der Poesie inspirieren zu lassen. Sie ist selbst nichts als ein Hauch und vermag deshalb die Unbegreiflichkeit der Seele zu erfassen. Sie singt von dem, was einen Menschen innerlich bestimmt und bewegt, preist seine Schönheit, ahnt seine Geheimnisse und Abgründe, weiß aber auch von seinem unendlichen Wert, seiner Beziehung zu Gott.
Du, meine Seele, singe!
Man kann es selbst üben, indem man einem evangelischen Choral nachfolgt: "Du, meine Seele, singe!" Oder indem man in einem Moment der Verzagtheit einen Klagepsalm betet: "Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?" Oder indem man sich Joseph von Eichendorffs Verse zu Herzen nimmt: "Und meine Seele spannte / weit ihre Flügel aus, / flog durch die stillen Lande, / als flöge sie nach Haus." Wer es moderner mag, kann sich auch an Paul Klee halten: "Meine kristallklare Seele / war je da und dort hauchgetrübt, / meine Türme manchmal bewölkt. / Pein setzt sich zur Liebe, / und ohne Sehnsüchte / kann ich nicht lang noch kurz leben." So kann man ein Bewusstsein dafür gewinnen, dass es dem Menschen nichts helfen würde, wenn er die ganze Welt gewönne und dabei Schaden nähme an seiner Seele.
Guten Tag bei Chrismon,
Guten Tag bei Chrismon,
In „Religion für Einsteiger“ fragen Sie „Was ist die Seele?“ Die Antwort, die Sie geben, genügt mir nicht.
Die Seele ist ein geistiges Organ in unserem Körper, und nicht nur wir, nein, die ganze Welt besteht aus Geist, auch wenn diese Welt sich hier auf unserer Erde in der Materie manifestiert.
Auch diese Materie ist aus geistigen Gesetzen zusammen gesetzt, sonst würde sie ja sofort zerfallen, wie sie nach dem Tode zerfällt. Was in der Materie geistigen Ursprungs und sichtbar ist, das sehen und fühlen wir mit unseren Sinnen.
Darüber hinaus aber ist alles, was unsere Well zusammen hält geistigen Ursprungs ,– es ist Geist! Und das Meiste können wir nicht sehen. Zum Beispiel die mathematischen Gesetze, die hinter allen materiellen Dingen stehen, und so auch unsere Seele, die eine rein geistige Kraft ist, die unser ganzes Leben bestimmt.
Ich hoffe, dass Sie diese Ergänzung veröffentlichen!
Danke im Voraus und mit freundlichen Grüßen Klaus Hussi, Bendestorf
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